Mehr als nur dunkle Wolken über dem Internationalen Olympischen Komitee – Nur mässige mediale Empörung

Photograph_of_the_Olympic_flag

Das IOK (erneut) vor turbulenten Zeiten? (Bild: www.volganet.ru)

(causasportnews / red. / 7. Oktober 2017) Gemäss Informationen seitens der zuständigen Strafverfolgungsbehörden in Brasilien verdichten sich die Anzeichen dafür, dass bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2016 nach Rio de Janeiro unlautere Machenschaften im Spiel waren. Wegen des Verdachts des Stimmenkaufs ist der Vorsitzende des Organisationskomitees der Spiele, Carlos Arthur Nuzman (der überdies seit über 20 Jahren Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Brasiliens ist), verhaftet worden. Mit ihm wurden weitere Personen aus dem Olympia-Umfeld der Spiele von 2016 inhaftiert. Im Zusammenhang mit den Ermittlungsaktivitäten in Brasilien sind auch Behörden in Frankreich und in der Schweiz aktiv geworden, teils auf Grund von Rechtshilfeersuchen.

Rio de Janeiro war 2009 bei der Vergabe von Olympia 2016 gegen Chicago, Madrid und Tokio obenaus geschwungen. Gemäss der zuständigen Staatsanwaltschaft liegen nun Beweise dafür vor, dass das Abstimmungsverhalten von Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) bei der Vergabe der Spiele unzulässigerweise beeinflusst worden ist. Von den Zahlungen sollen vor allem afrikanische IOK-Mitglieder profitiert haben. Dass in diesem Zusammenhang auch der Name des langjährigen Präsidenten des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) und IOK-Mitglieds Lamine Diack aus Senegal auftaucht, ist dabei keine allzu grosse Überraschung – sein Name fällt in Bezug auf Unregelmässigkeiten im Sport immer wieder. Die verfügbaren Informationen lassen den Schluss zu, dass dem IOK ein veritabler Skandal, der sich u.U. auch strafrechtlich auf die Sportorganisation und betroffene IOK-Mitglieder auswirken könnte, ins Haus steht (vgl. auch Causa Sport News vom 2. Oktober 2017). Dieser dürfte das IOK besonders schmerzen, hat es sich doch nach ähnlichen Vorkommnissen im Zusammenhang mit der Vergabe der Olympischen Winterspiele nach Salt Lake City Ende der 1990er Jahre umfassend reformiert und Massnahmen ergriffen, die genau solche Vorfälle wie die jetzt vermuteten verhindern sollten. Immerhin hat das IOK nun umgehend reagiert und Carlos Arthur Nuzman sowie das brasilianische Nationale Olympische Komitee vorläufig suspendiert, was nicht zuletzt zur Folge hat, dass bis auf weiteres kein Geld mehr aus Lausanne nach Brasilien fliesst.

In den Medien ist die Empörung über die neuerlichen mutmasslichen „Sündenfälle“ im IOK bislang indessen auffallend zurückhaltend ausgefallen. Die üblichen Kommentatoren von „Spiegel“, „FAZ“, „SZ“ usw. fühlen sich offenbar nicht allzu dringend bemüssigt, über das IOK herzuziehen und es in gleichem Masse „in Grund und Boden zu schreiben“, wie es insbesondere vor etwa zwei Jahren in Bezug auf den Weltfussballverband FIFA der Fall war. Dies mag einerseits damit zusammenhängen, dass der Fussball über einen weit höheren Attraktivitätsgrad als die Olympischen Spiele verfügt, andererseits aber auch damit, dass die FIFA nun mal der Medien liebstes Bashing-Opfer ist – wenn die aktuellen Vorfälle die FIFA betreffen würden, wären die Kommentarspalten bereits am Überlaufen. Der Fussball weckt nun mal in jeder Hinsicht offenbar die grösseren Emotionen… – Die selektive Wahrnehmung und Reaktion beschlugen im Übrigen auch einen anderen jüngeren Vorgang: Mitte September hat das IOK eine „Doppelvergabe“ Olympischer Spiele vorgenommen (2024 Paris, 2028 Los Angeles). Solche „Mehrfachvergaben“ von Sportgrossereignissen waren etwa im sog. „Garcia-Report“ zu den FIFA-WM-Vergaben 2018 und 2022, nach welchem die Medien lange Zeit geradezu gelechzt haben und der von der FIFA dieses Jahr veröffentlicht worden ist, als ein Faktor kritisiert worden, der Korruption in den entsprechenden Zusammenhängen besonders begünstige. Diesbezüglich mag sich das IOK vielleicht für „immun“ gehalten haben. Vor dem Hintergrund der aktuellen Enthüllungen wird sich ggf. noch zeigen, ob dies (un-)berechtigt war…

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