(causasportnews / red. / 27. Mai 2016) Heute vor einem Jahr wurde der Weltfussballverband FIFA das erste Mal zum Ziel der US-Justiz: Auf Ersuchen der amerikanischen Behörden verhafteten Schweizer Polizeikräfte im Zürcher Nobelhotel „Baur au Lac“ sieben Fussballfunktionäre, die zum zwei Tage später stattfindenden Wahlkongress des Weltverbandes angereist waren. An diesem Kongress, am 29. Mai 2015, wurde Joseph Blatter für eine weitere Amtszeit als FIFA-Präsident bestätigt, erklärte jedoch in Anbetracht der am 27. Mai 2015 ausgelösten Turbulenzen in und um die FIFA nur wenige Tage nach der Wahl seinen Rücktritt. Die verhafteten Funktionäre wurden u.a. mit Bestechungsvorwürfen konfrontiert, im Morgengrauen des 27. Mai 2016 aus den Hotelbetten geholt und in Schweizer Gefängnissen in Auslieferungshaft gesetzt. Die Schweiz leistete mit den Verhaftungen Rechtshilfe auf Ersuchen der USA. Die Verhaftungsaktion wurde seitens der Amerikaner regelrecht inszeniert; Journalisten aus den USA waren ganz offensichtlich über die geplanten Verhaftungen vororientiert und berichteten live und weltumspannend von den Polizeiaktionen in Zürich. Auch ein Jahr nach den spektakulären Einsätzen der Schweizer Behörden sind die Auslieferungsverfahren noch nicht vollständig abgeschlossen. Anfangs dieses Monats entschied das Schweizerische Bundesgericht über eine weitere Auslieferung an die USA (Urteil des Bundesgerichts vom 2. Mai 2016; 1C_143/2016, i.S. Julio Rocha, Nicaragua).
Der 27. Mai 2015 ist als denkwürdiger Tag in die Annalen der FIFA eingegangen. Obwohl die Verhaftungen der Funktionäre den Weltverband nicht nur juristisch, sondern insbesondere auch medial mit voller Wucht trafen, ist seither ein durchaus positiver Denkprozess in der FIFA in Gang gesetzt worden. Es war dies der Beginn der Ära nach Joseph Blatter. Innert kürzester Zeit wurden Reformen vorbereitet und im Februar dieses Jahres von einem ausserordentlichen FIFA-Kongress, an dem auch Gianni Infantino zum neuen FIFA-Präsidenten gewählt worden ist, verabschiedet. Mit der raschen Umsetzung der Reformen ist von der FIFA auch ein erheblicher Teil des Druckes gewichen, den die US-Justiz gegenüber dem Weltverband aufgebaut hatte. Experten bezweifeln, dass eine Reformierung der FIFA innert dieser kurzen Zeit derart einschneidend umgesetzt worden wäre, wenn nicht die US-Behörden mit den Verhaftungen am 27. Mai 2015 ein deutliches Zeichen gesetzt hätten.