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Europameisterschafts-Nachwehen und ein besonderes Sportler-«Coming-out»

causasportnews / Nr. 1162/07/2024, 18. Juli 2024

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(causasportnews / red. / 18. Juli 2024) Erst ein paar Tage sind vergangen, seit sich Spanien den Fussball-Europameisterschaftstitel 2024 glorios erspielt hat. Doch dieses Thema ist aus den Medien bereits verschwunden; daran, dass der Fokus bereits in Richtung der Olympischen Sommerspiele in Paris (26. Juli – 11. August) gerichtet ist, kann es nicht (alleine) liegen. Zumindest eine Nachlese aus sportlicher Sicht wäre angebracht. Doch wird alles relativiert, weil mit Spanien zweifellos die «richtige» Nationalmannschaft den Titel geholt hat. Spanien über alles, wäre man geneigt festzustellen. Das Endspiel zwischen Spanien und England war etwas vom Besten, was der Nationalmannschafts-Fussball in den letzten Jahren zu bieten hatte. Markant war, dass auf Spielerseite offensichtlich im Moment ein Generationenwechsel eingeläutet worden ist. Kein einziger Spieler überragte im Turnier alle und alles, und nicht ganz zufällig finden sich immerhin gleich sechs (!) Akteure mit gleichviel Toren an der Spitze des Torschützen-Klassements. Der 31jährige Harry Kane und der soeben 17 Jahre alt gewordene Lamine Yamal erzielten neben vier weiteren Akteuren je drei Tore an dieser Kontinental-Meisterschaft. Welch’ ein Kontrast: Der Kapitän der Engländer, im Final sogar ausgewechselt, beförderte sich in Deutschland gleich selber ins sportliche und emotionale Elend. Beim FC Bayern-München fragt man sich, ob der Gentlemen Harry Kane noch in der Lage sein wird, seinen Klub in der Saison 2024/25 zu einem Vollerfolg zu führen. Anders der unbekümmert aufspielende Spanier Lamine Yamal, wohl ein künftiger Top-Star mit bald horrendem Transferwert. Der Titel mit Spanien wird ihn beflügeln.

Dass das Turnier auch im internationalen Kontext keine markanten Konturen hinterlassen wird, ist einerseits der schnelllebigen Zeit, in der sich die Sportveranstaltungen geradezu jagen, zuzuschreiben, anderseits dürfte konkret das frühe Ausscheiden Deutschlands ein Stimmungs- und Hoffnungskiller für das ganze Turnier und ganz Europa gewesen sein. Das «Märchen» der Deutschen von 2006 wiederholte sich nicht, und nach dem Aus gegen Spanien war das Turnier für Deutschland nur noch une chose à endurer (eine Sache zum Ertragen). Als Negativum im Rahmen der Europameisterschaft müssen die durchwegs katastrophalen Schiedsrichter-Leistungen erwähnt werden. Dafür tragen die Schiedsrichter weder eine kollektive noch individuelle Schuld, auch nicht der bemitleidenswerte Anthony Taylor, der das Spiel zwischen Spanien und Deutschland arbitrierte. Durch den Einsatz der technischen Hilfsmittel (VAR, verkabelte Schiedsrichter, etc.) wurde der Spielfluss geradezu gehemmt und das Spiel letztlich zerstört. Es wurde nach jeder klaren und unklaren Spiel-Konstellation diskutiert statt akzeptiert. Das führte dann auch dazu, dass Spaniens Marc Cucurella noch im Final von den Deutschen ausgepfiffen wurde, weil Schiedsrichter Anthony Taylor ein Foul des Verteidigers nicht als Foul qualifizierte, wofür der Chelsea-Klubspieler allerdings rein gar nichts konnte. Frustrations-Bewältigung auf deutsche Art, wird das offensichtlich genannt. Sport ist eben auch Irrationalität und Hass zugleich.

In Deutschland erregte zum Abschluss des Turniers nicht die Leistung der Deutschen Fussball-Nationalmannschaft die Gemüter, sondern das «Coming-out» eines ehemaligen Deutschen Formel 1-Piloten, Ralf Schumacher. Weil Sport eben mehr als nur körperliche Ertüchtigung bedeutet, wurde das Bekenntnis des Bruders von Michael Schumacher zum medialen Gassenhauer. Ein ehemaliger Individualsportler und dazu noch der Bruder eines der besten Sportler, den die Welt erlebt hatte, eine sexuelle Ausrichtung, die mit Sport, spezifisch mit dem Automobil-Rennsport, was auch immer zu tun haben mag, das sind die Zutaten, mit dem der heutige Medien-Kuchen gebacken wird. Ein Ex-Sportler (zudem aus einer Sportart, welche den heterosexuellen Männlichkeitswahn bis vor kurzem besonders glorifizierte), bald 50, in der Mitte des Lebens stehend – aus diesem Stoff werden Historien gestrickt, welche in diese Welt der Toleranz, des allseitigen Verständnisses und der diversen Weltanschauungen passen.

Ein Fussball-Turnier wie ein Verwandten-Besuch

causasportnews / Nr. 1160/07/2024, 11. Juli 2024

(causasportnews / red. / 11. Juli 2024) Was haben Fussball-Turniere, wie die noch laufende Fussball-Europameisterschaft in Deutschland, und Verwandten-Besuche gemeinsam? Es wird ätzend, wenn «es» zu lange dauert und die Erwartungen unerfüllt bleiben.

So empfindet Europa die Fussball-Europameisterschaft 2024, die seit dem 14. Juni in Deutschland ausgetragen wird und am 14. Juli mit dem Finalspiel zwischen Spanien und England ihren sportlichen Höhepunkt erreichen wird. Seit Gastgeber Deutschland von Spanien aus dem Rennen geworfen wurde, ist es vorbei mit der Gastfreundschaft Deutschlands gegenüber den teilnehmenden Teams aus Europa. Zum Glück sind es jetzt nur noch zwei. Die ursprüngliche Hoch-Stimmung, von den Medien angeheizt, ist seit dem 5. Juli abends im Eimer, das einmal mehr heraufbeschworene Fussball-Märchen in Deutschland ist zur Gruselgeschichte verkommen. Deutschland mag gar nicht mehr hinsehen und hat sich nach der Niederlage gegen Spanien umgehend vom Turnier abgewendet. Man sehnt sich nur noch das Ende des Wettbewerbs mit fremden Teams im Land herbei. Allgemein herrschte die Überzeugung vor, dass in diesem Turnier (wieder einmal) die Unbesiegbarkeit des deutschen Fussballs beweisen werden sollte. In kürzester Zeit hat Deutschland jedoch das geschafft, was als überwunden galt: Ein toller Gastgeber zu sein, der die Welt mit offenen Armen empfängt, sich jedoch nun als schlechter Verlierer entpuppt. Statt sich mit dem vorzeitigen Turnierende abzufinden, ist ein von Schiedsrichter Anthony Taylor nicht gepfiffenes Handspiel des Spaniers Marc Cucurella zum umfassenden Ärgernis geworden; wie wenn ein gepfiffener Elfmeter schon eine Tor-Garantie wäre…

Deutschland ärgert sich über alle und alles, nur nicht über sich selbst. Die Medien gehen pfleglich mit der National-Mannschaft um, derweil Bundestrainer Julian Nagelsmann die Schuld am Turnier-Ausscheiden überall sucht, nur nicht bei sich; klar, der Mann hat nicht gespielt und ist so wenig «Schuld» am Ausscheiden Deutschlands wie Marc Cucurella, der wenig dafür kann, dass der Schiedsrichter nicht auf Penalty erkannt hat. Es fehlt die Erkenntnis, dass diese Mannschaft den Peak einfach überschritten hat und die eingesetzten Fussball-Oldies mit den Besten nicht mehr mithalten können. Es war geradezu unerträglich mitanzusehen, wie sich einzelne Spieler selbst demontierten, etwa der Säulenheilige Toni Kroos, der sich im Spiel gegen Spanien nur noch mit Brutalo-Fouls zu helfen wusste; nota bene ohne vom Platz gestellt worden zu sein. Auch nach Tagen seit dem fussballerischen Super-GAU ist die Frustbewältigung und sind die Schuldzuweisungen für das Turnier-Ende immer noch im vollen Gange. Der Handspiel-Verursacher, der Chelsea-Verteidiger Marc Cucurella, der ein regelrechtes Abbild von Jesus Christus ist, konnte im Halbfinalspiel gegen Frankreich keinen Ball berühren, ohne nicht heftig von den Deutschen ausgepfiffen zu werden! Also ans Kreuz mit ihm! Aber, was hat er denn getan? Ans Kreuz mit ihm! Dafür, dass eben der Schiedsrichter keinen Hand-Elfmeter gepfiffen hatte, kann Marc Cucurella wahrlich nichts. Es war wohl auch kein Hand-Elfmeter. Jedenfalls hat der Schiedsrichter aufgrund seiner Wahrnehmung so entschieden und einen sog. «Tatsachenentscheid» gefällt. Solche Entscheide sind unumstösslich und schon gar nicht justiziabel, ob falsch oder nicht falsch (im Gegensatz etwa zu regeltechnischen Fehlern). So sind die nun abflauenden Forderungen nach einem Wiederholungsspiel, von unqualifizierten Medien-Schaffenden geschürt, lediglich mühsamer Populismus.

Womit wir wieder bei den Verwandten angelangt wären. Am 14. Juli werden alle National-Mannschaften wieder aus Deutschland abgereist sein. Dann dürften die zwischen Spanien und Deutschland hin- und hergeschossenen Giftpfeile wohl Geschichte sein, vor allem dann, wenn sich Spanien die Fussball-Krone aufsetzen sollte. Das Ende des Turniers ist für die geschundene deutsche Fussball-Seele Balsam. Und wie sagte es Julian Nagelsmann: Jetzt wird die Fussball-WM-Endrunde 2026 ins Visier genommen. Nicht Deutschland muss dann die «Freunde» aus aller Welt willkommen heissen, sondern die USA, Kanada und Mexiko sind Gastgeber. Als Gast lebt es sich an einem Fussball-Turnier zweifellos leichter denn als Gastgeber, vor allem dann, wenn der Erfolgsdruck ins Unermessliche steigt…