causasportnews / Nr. 1122/03/2024, 18. März 2024

(causasportnews / red. / 18. März 2024) Im Formel 1-Rennzirkus ist am Schluss einer Saison ein Fahrer der grosse Held. Der Wettbewerb heisst den auch «Fahrer-Weltmeisterschaft», obwohl es in der Königsklasse des Motorsports auch eine Konstrukteurs-Wertung gibt. Sitzt der Fahrer allerdings im «Ferrari» und gewinnt, läuten in Maranello, wo sich das «Ferrari»-Werk befindet, die Glocken in der Stadtkirche. Wer in einem Auto mit dem springenden Pferd siegt, gewinnt für die Marke – es sei denn, er heisse Michael Schumacher, welcher der «Scuderia Ferrari» während Jahren Titel um Titel bescherte. Der verunglückte, heute 55jährige Deutsche, wird in Italien immer noch verehrt wie ein Held, weil er insbesondere die Marke «Ferrari» auf die Siegesstrasse zurückgeführt hat. Wichtig(er) war jedoch letztlich auch in der Ära von Michal Schumacher die Merke «Ferrari».
Zuvor gab es für die Italiener und Italien über Jahre Enttäuschungen, Pech und Pleiten. Eine derartige Pleite ereignete sich 2008, als Ferrari-Pilot Felipe Massa, heute 43jährig, zum Saisonende den WM-Titel nur um einen Punkt verpasste und den Titel dem damaligen Mc Laren-Piloten Lewis Hamilton überlassen musste; derselbe Sir Lewis Hamilton, der im kommenden Jahr von Mercedes zu «Ferrari» wechseln wird! Felipe Massa findet, dass ihn damals eine Trickserei im Renault-Rennstall anlässlich des Rennens in Singapur die Punkte zum WM-Titel gekostet hätte. Die Geschichte hat etwas für sich, denn involviert war federführend in dieser Sache der damalige Renault-Teamchef Flavio Briatore, u.a. Ex-Partner von Model Heidi Klum, ein Mischler und Mauschler nicht nur im Formel 1-Zirkus. Um damals dem Renault-Fahrer Fernando Alonso alle Titelchancen zu ermöglichen, wurde der andere Renault-Fahrer Nelson Piquet jun. angewiesen, zu crashen, also absichtlich in die Boxenmauer zu fahren. Das so provozierte Rennunterbruch im Chaos-Rennen führte dann dazu, dass der in Führung liegende Felipe Massa, im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Lewis Hamilton, in Singapur letztlich ohne Punkte blieb, und im dramatischen, letzten Rennen 2008 in Brasilien Lewis Hamilton mit einem einzigen Punkt Vorsprung Fahrer-Weltmeister wurde. Dem Brasilianer Felipe Massa fehlten vor allem die Punkte des Singapur-Rennens. Seither, und weil Formel 1-Impresario Bernie Ecclestone, heute bald 94jährig, vor kurzer Zeit praktisch offiziell und öffentlich eingestand, dass das Rennen von Singapur 2008 nicht reglementskonform verlief und der ehemalige «Ferrari»-Pilot quasi betrogen worden sei, hat Felipe Massa «Blut geleckt» und will nun vor Gericht um Gerechtigkeit und um den Formel 1-WM–Titel 2008 kämpfen. Die Vorkommnisse von Singapur waren allerdings längst bekannt.
In London hat Felipe Massa nun wegen Unregelmässigkeiten im «Crash-Rennen» 2008 in Singapur eben Bernie Ecclestone sowie das Formula One Management (FOM) eingeklagt. Beklagter ist auch der Automobil-Weltverband (FIA), dieser wegen Reglementsverletzungen, weil aus der Sicht des Klägers das Rennen in Singapur nicht hätte gewertet werden dürfen. Felipe Massa will den Titel 2008 nun also gerichtlich erstreiten. Falls er obsiegt, wird der WM-Titel Lewis Hamilton, der 2025 zu «Ferrari» wechselt, ab-, und dem damaligen «Ferrari»-Piloten Felipe Massa zuerkannt. Neben sportlichem Ruhm geht es natürlich bei dieser Klage auch um (viel) Geld. 82 Millionen US-Dollar lautet die Forderung von Felipa Massa im Moment – unter Vorbehalt des Nachklagerechts.
Objektiv ist der Klage eher keine grosse Chance einzuräumen, es sei denn, dass Felipe Massa auf diese Weise eine gute Vergleichsbasis schaffen will. Nicht gerade prozessual vorteilhaft für den Brasilianer dürfte sich der Umstand auswirken, dass mit der Anhebung des Prozesses derart lange zugewartet worden ist. In der Formel 1 ist es allerdings ähnlich wie in der katholischen Kirche: Unappetitliches wird jahrelang vertuscht, unter den Teppich gekehrt, ausgesessen oder erst unter Druck thematisiert und ernsthaft behandelt. Dass Felipe Massa ohne die Wertung des in der Tat unglaublichen «Chaos»-Rennens von Singapur Formel 1-Weltmeister geworden wäre, ist aus juristischer Sicht ein kaum zu erbringender, schlüssiger Beweis. Auch wenn allenfalls eine natürliche Kausalität anzunehmen wäre, würde es wohl an der für eine erfolgreiche Klage notwendigen Adäquanz (also an einem adäquaten Kausalzusammenhang) fehlen. Klar und notorisch ist auch: Von einem Gericht erhält man keine Gerechtigkeit, sondern eine Entscheidung. Oft decken sich Urteil und Gerechtigkeit eben nicht.

