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Sportler mit Krebs und das öffentliche Informationsinteresse daran

causasportnews / Nr. 1019/05/2023, 22. Mai 2023

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(causasportnews / red. / 22. Mai 2023) Es gibt Dinge im Leben, die gegeben sind oder sich ereignen, und die der Mensch lieber für sich behalten und den Vorgang jedenfalls nicht mit einer breiteren oder engeren Öffentlichkeit teilen will. Wird diese Sphäre ignoriert oder verletzt, kann sich die betroffene oder verletzte Person auf den Persönlichkeitsschutz, der im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB), etwa in den Art. 27/28 ZGB geregelt ist, berufen und sich grundsätzlich gegen Störungen und Verletzungen in diesem Bereich zur Wehr setzen.- Diese fundamentalen Bestimmungen sind in den medialen Fokus getreten, seit der Österreichische Nationaltorhüter Heinz Lindner, der beim FC Sion unter Vertrag steht, mitgeteilt hat, er sei an Hodenkrebs erkrankt. Der bald 33jährige Torhüter hat seine Erkrankung selber publik gemacht, was den Kommunikations-Vorgang offensichtlich rechtfertigt. Heinz Lindner hat also, aus welchen Gründen auch immer, den Weg in die Öffentlichkeit gewählt, und das medizinisch relevante «Outing» wurde von den Medien natürlich aufgenommen, vor allem von der Boulevardpresse, welche zur Anreicherung des Vorgangs gleich noch ein paar Beispiele von Sportlern, welche früher an Hodenkrebs erkrankten und geheilt wurden, ausbreiteten.

Eine Hodenerkrankung eines Sportlers ist ein Faktum, das zur Geheim- oder Intimsphäre eines Menschen gehört, auch bezüglich eines sich in der Öffentlichkeit bewegenden Athleten. Es greift der Persönlichkeitsschutz, und grundsätzlich ist die Verbreitung einer solchen Meldung eine Persönlichkeitsverletzung (Art. 28 ZGB). Die zivilrechtlichen Folgen der Persönlichkeitsverletzung greifen allerdings nur dann, wenn diese Verletzung widerrechtlich erfolgt. Nicht widerrechtlich ist die Persönlichkeitsverletzung dann, wenn sie mit der Einwilligung des in der Persönlichkeit verletzten Person erfolgt. In der «Causa Heinz Lindner» war die Verbreitung der Meldung, der Torhüter des FC Sion und der Österreichischen Nationalmannschaft sei an Hodenkrebs erkrankt, eine Persönlichkeitsverletzung, allerdings keine widerrechtliche, weil der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des an Hodenkrebs erkrankten Sportlers vorlag (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Das bedeutet grundsätzlich, dass relativ oft Persönlichkeitsverletzungen (auch betreffend Athleten) vorliegen, diese aber zufolge der Einwilligung der Verletzten in die Verletzungshandlungen gerechtfertigt sind.

Keine juristische Panik also im Kommunikationsvorgang der Hodenkrebserkrankung von Heinz Lindner. Der Athlet hat den Weg in die Öffentlichkeit gewählt und in die Verbreitungshandlung eingewilligt, wohl (gezwungenermassen) um entsprechende Spekulationen im Fussball-Business gar nicht aufkommen zu lassen. Allerding mutet es dennoch etwas speziell an, dass derartige Vorkommnisse aus dem Geheim- und Intimbereich eines Sportlers öffentlich-wirksam ausgebreitet werden. Ein Informationsinteresse bezüglich derartiger Fakten aus dem Leben eines Sportlers ist beim besten Willen nicht zu erkennen, auch wenn im konkreten Fall der Torhüter für den Rest der eh bald zu Ende gehenden Saison dem FC Sion nicht mehr zur Verfügung steht. Sportlich ist dies für den Klub zu verkraften: Obwohl der Super League-Klub an letzter Stelle in der Tabelle platziert ist, wird er zufolge der Mannschafts-Aufstockung in der höchsten Spielklasse nicht absteigen.