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Millionäre in kurzen Hosen und die Sache mit dem Arbeitsrecht

causasportnews / Nr. 1064/09/2023, 27. September 2023

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(causasportnews / red. / 27. September 2023) Mit schöner Regelmässigkeit wird vor allem im professionellen Fussballsport die Frage in den Raum gestellt, wie es sich bei Berufs-Fussballspielern mit dem Arbeitsrecht verhält. Diese Fragestellung ist im Grundsatz berechtigt, zumal etwa in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich die Meinung vorherrscht, derartige (Mannschafts-)Sportler (und Sportlerinnen) seien Arbeitnehmer und in ihren Ländern und Wirkungsbereichen dem Arbeitsrecht unterstellt. Anerkannt wird aber auch weitgehend, dass es sich bei Fussballspielern im professionellen Sport um atypische Arbeitnehmer handelt, was an sich evident ist; derartige Berufssportler können beispielsweise nicht mit Bergwerkarbeitern, sofern es sie noch gibt, gleichgesetzt werden. Vor allem die Schutzrechte im Rahmen des Arbeitsrechts sind bei Fussballspielern, im Vergleich zu Bergwerkarbeitern, wohl nicht dieselben. Oder anders: Die Millionäre in kurzen Hosen müssen auf den Aktivitäts-Ebenen und bezüglich der pekuniären Aspekte nicht gleich geschützt werden wie andere Arbeitnehmer. Wobei hier gleich eine Einschränkung zu machen ist, nämlich dergestalt, dass nicht jeder Professional-Fussballspieler auch Millionär ist.

Die Atypizität der Mannschafts-Sportler als Arbeitnehmer impliziert wohl, dass das Arbeitsrecht zwar generell, aber nicht talis qualis, auf diese Rechtsverhältnisse im Mannschaftssport anzuwenden ist. Letztlich kommt es wohl drauf an, welche arbeitsrechtlichen Normen geeignet sind, im Rahmen sportlicher Berufsausübung zum Zuge zu kommen. Seit einem Urteil des Deutschen Bundesarbeitsgerichts steht die Fussball-Arbeitswelt Kopf. Das Gericht in Erfurt erkannte grundsätzlich, dass Arbeitgeber, dazu gehören auch Fussball-Klubs, die tägliche Arbeitszeit ihrer angestellten Fussballspieler zu erfassen hätten. Dass nun Unsicherheit darüber herrscht, was hier unter den Begriff «Arbeitszeit» zu subsumieren ist, war zu erwarten. Muss also der Fussball-Professional während eines Spiels die Stechuhr betätigen? Gehört das Duschen nach getaner Arbeit (Spiel oder Training) zur Arbeitszeit? Fällt darunter auch die Reisezeit zu einem Auswärtsspiel? Liefert der Spieler auf der Reservebank Arbeit ab? Et cetera.

Arbeitsrechtliche Bestimmungen, die geeignet sind, im Sport-Betrieb angewendet zu werden, sollen auch entsprechend zur Anwendung kommen. Anzuwenden ist, was kohärent ist und Sinn macht. Womit wohl wieder einmal eine neue, juristische Theorie, die «Kohärenztheorie» aus der richterlichen Perücke gezaubert wäre. Diese und anderweitige Unsicherheiten im Arbeitsvertragsrecht von Fussball-Professionals lassen sich weitgehend durch adäquate Vertragsgestaltung regeln, wobei dann natürlich wieder ab und zu der Einwand kommen dürfte, diese oder jene Regelungen würden gegen zwingende Arbeitsrechtsbestimmungen verstossen. Eine zweifelsfrei wichtige und praxisrelevante Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht übrigens vor geraumer Zeit gefällt, nämlich, dass die Befristungen von Arbeitsvertragsverhältnissen im Mannschaftssport zulässig sei.

Mit viel Pathos gegen Schiedsrichter-«Diskriminierung»

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(causasportnews / red. / 22. September 2021) Bekanntlich existieren viele Möglichkeiten, um sich unsterblich zu machen – oder, um es wenigstens zu versuchen. So wollte einst der ehemalige FIFA-Präsident Joseph Blatter, dass im Regelwerk des Weltverbandes eine Statutenbestimmung vorgesehen werde, wonach der FIFA-Präsident «lebenslänglich» höchster Verbands-Fussballer bleiben könne. Dass damit ebenfalls die Zielrichtung vorgegeben wurde, um an der Unsterblichkeit des Wallisers zu arbeiten, versteht sich von selbst. Das Ansinnen des heute 85jährigen Wallisers konnte, wie bekannt, letztlich nicht ganz umgesetzt werden. Als es nur schon eine Amtszeitbeschränkung auch für das Präsidium und andere Fussball-Ämter ging, kreiste das Diskriminierungs-Gespenst über der FIFA-Zentrale am Zürcher Sonnenberg.In Deutschland sorgt derzeit ein anderer, ähnlich gelagerter Fall für Diskussionen. Die Juristen sind zwischenzeitlich in Stellung gegangen, bzw. in Stellung gebracht worden. Da der Fussball vor allem in Deutschland ein öffentliches Gut ist, bezüglich dessen es keinen Spass erträgt, wird die Auseinandersetzung, die vor das Landgericht Frankfurt getragen wird, mit viel Pathos geführt. Es geht um die vom Deutschen Fussball-Bund (DFB) gesetzte Altersgrenze für Schiedsrichter, die gemäss Verbandsregularien bei 47 Jahren liegt. Der Schiedsrichter Manuel Gräfe, soeben 48 Jahre alt geworden, findet, diese Alters-Guillotine für Schiedsrichter sei diskriminierend (vgl. auch causasportnews vom 6. Juli 2021). So zieht er nun also vor Gericht, um diese Regelung zu kippen. Mit guten, juristischen Aussichten, meinen die meisten Juristen in Deutschland, die in den Medien derzeit auf sich aufmerksam machen. Nur wenige halten (öffentlich) dagegen. Es wäre wohl eine grosse Überraschung, wenn diese vom Kläger als diskriminierend empfundene Alters-Regel im DFB nun fallen würde. Die Altersbeschränkung für Schiedsrichter dürfte wohl sachlich begründet sowie verhältnismässig und nicht talis qualis aus unsachlichen Gründen, die als diskriminierend zu qualifizieren sind, ins Regelwerk eingefügt worden sein. Vielleicht ist ein im Sportbetrieb physisch und psychisch geforderter Schiedsrichter gegen 50 doch nicht mehr ganz so leistungsfähig und belastbar wie ein 25jähriger Unparteiischer. Irgendwie muss wohl eine Alterslimite gesetzt werden. Der Klageansatz «Diskriminierung» ist wohl auch nicht zu Ende gedacht, bzw. bildet er anfangs nur die halbe, juristische Wahrheit. Im Rahmen der Verbandsautonomie dürfen Verbände relativ vieles. Insbesondere ist es ihnen erlaubt, die Verbandsbelange im Rahmen der normierten Ordnung und unter Beachtung der vom Recht gesetzten Schranken relativ autonom zu regeln. In der Juristerei wird dieses Phänomen als «Verbandsautonomie» bezeichnet und findet insbesondere eine Stütze auch im deutschen Grundgesetz (Art. 9 GG; für die Schweiz Art. 23 der Bundesverfassung, BV). Es wird in Frankfurt also vorweg um die Frage gehen, ob die DFB-Vorgabe im Regelungs-Kompetenzbereich des DFB liegt und ob diese inhaltlich verfassungs- und rechtskonform ist. Dass der Verband zum Erlass dieser Ordnung ermächtigt (rechtliches Können) und befugt (rechtliches Dürfen) war und ist, wird nicht so leicht zu erschüttern sein. Oder anders: Der DFB dürfte durchaus Rechtsfertigungsgründe für die von Manuel Gräfe als «diskriminierend» empfundene Verbandsnormierung, die auch durchaus verhältnismässig sein dürfte, geltend machen können. Daran wird wohl die zentrale Frage: «Weshalb 47 Jahre?» nicht so zu beantworten sein, dass hier aufgrund dieser Altersbeschränkung für das Schiedsrichteramt eine Diskriminierung erkannt werden könnte. Wie soll denn etwa die Festlegung eines bestimmten Rentenalters begründet werden? Die Vorstellung, dass ein 90jähriger Schiedsrichter auf wackeligen Beinen noch aktiv tätig sein wird, dürfte im Rahmen des Verfahrens am Landgericht Frankfurt am meisten die Karikaturisten inspirieren…