
Handy-Aufnahmen von Fussballspielen als «Videobeweis»? Wohl eher nicht …
(causasportnews / red. / 20. September 2018) Eine Art «alternative Form» des sog. «Videobeweises» scheint jüngst in einer deutschen Fussball-Kreisliga zur Anwendung gelangt zu sein: Während des Spiels zwischen dem SV Mölschbach und der SG Hochspeyer in der Kreisliga B bei Kaiserslautern am vergangenen Sonntag erkannte der Schiedsrichter ein Tor der Mölschbacher zunächst nicht an, da seiner Wahrnehmung nach der Ball zuvor die Torauslinie mit seinem gesamten Umfang überquert hatte und somit im Toraus war. Nach Darstellung der SG Hochspeyer hatte der 2. Vorsitzende des SV Mölschbach das Spiel und somit auch die strittige Situation allerdings mit seinem Mobiltelefon auf Video aufgenommen und eilte unmittelbar danach zum Schiedsrichter, welcher sich die Aufnahme ansah, daraufhin seinen Entscheid revidierte und auf Tor erkannte. Der SV Mölschbach hat indessen auf seiner «Facebook»-Seite dieser Darstellung widersprochen und zunächst behauptet, Zuschauer hätten den Schiedsrichter darauf aufmerksam gemacht, dass der Ball die Torauslinie nicht überquert hätte. Zwischenzeitlich hat der Präsident des SV Mölschbach dies dahingehend präzisiert, dass selbst Spieler der SG Hochspeyer gegenüber dem Schiedsrichter zugegeben hätten, dass der Ball nicht im Toraus gewesen sei, was diesen dann zu seinem Rückkommensentscheid bewogen habe. Die SG Hochspeyer hat jedenfalls gegen die Wertung des Spiels offenbar Protest eingelegt; es bleibt demnach abzuwarten, wie die zuständigen Gremien den Fall entscheiden werden.
Grundsätzlich sind Entscheidungen des Schiedsrichters zu Tatsachen im Zusammenhang mit dem Spiel endgültig (Regel 5 Ziff. 2 der «Laws of the Game»). Dazu gehört insbesondere auch die Entscheidung auf «Tor» oder «Kein Tor». Allerdings kann ein Schiedsrichter auf den getroffenen Entscheid zurückkommen, wenn das Spiel noch nicht fortgesetzt wurde und er feststellt, dass der Entscheid nicht korrekt ist oder er von einem anderen Spieloffiziellen einen diesbezüglichen Hinweis erhalten hat. Es existieren auch zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit, dass Schiedsrichter nach Hinweisen von beteiligten Spielern ihre zunächst «falschen» Entscheide revidiert haben (zu erinnern ist bspw. an das äusserst faire Verhalten des FC St. Pauli-Spielers Marius Ebbers, der in der Saison 2011/12 in einem wichtigen Spiel um den Aufstieg in die 1. Bundesliga kurz vor Ende der Partie beim Stand von 1:1 gegen den 1. FC Union Berlin einen Treffer mit dem Oberarm erzielte und den Schiedsrichter, der das Tor zunächst anerkannte, darauf aufmerksam machte, worauf der Schiedsrichter auf „Kein Tor“ erkannte).
Ob nun – wie im vorliegenden Fall – ein Schiedsrichter (auch) aufgrund von Handy-Videoaufnahmen, die ihm von Zuschauern zur Verfügung gestellt werden, auf seinen Entscheid zurückkommen darf, wird wohl noch zu klären sein. Fest steht jedenfalls, dass es sich bei dem entsprechenden Vorgehen selbstverständlich nicht um einen «Videobeweis» im Sinne des Konzepts handelt, das seit seiner Einführung in der Fussball-Bundesliga-Saison 2017/18 für teils heftige Kontroversen sorgt. Mit dem sog. «Videobeweis» soll dem (Haupt-) Schiedsrichter auf dem Platz in bestimmten Fällen ermöglicht werden, strittige Szenen nochmals am Monitor zu begutachten und ggf. auf einen getroffenen Entscheid zurückzukommen. Einem Video-Schiedsrichter-Assistenten («Video Assistant Referee», VAR), der im Kölner Video-Assist-Center das jeweilige Bundesliga-Spiel auf dem Monitor verfolgt, fällt dabei die Aufgabe zu, den Schiedsrichter auf dem Platz via Headset auf klare und offensichtliche Fehlentscheidungen aufmerksam zu machen (wobei aber auch der Schiedsrichter selbst den VAR kontaktieren kann). Der Schiedsrichter kann daraufhin die Szene in der Wiederholung am Monitor anschauen, direkt auf seinen Entscheid zurückkommen oder daran festhalten. Etabliert ist der VAR zwischenzeitlich in der ersten deutschen Fussball-Bundesliga, und anlässlich der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Russland 2018™ wurde er ebenfalls erfolgreich eingesetzt.