Erzieherischer oder schädlicher Sport?

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Opfer der grassierenden Gleichmacherei: Siegerpodeste und Ranglisten

(causasportnews / red. / 17. Februar 2018) Der Sport wird oft als „Lebensschule“ bezeichnet. Im Sport wird, so die herrschende Meinung, das Individuum zum Team-Player geformt und in das kollektivistische Denken und Verhalten eingeführt; und im Sport lernt bereits der junge, Sport treibende Mensch, mit Niederlagen umzugehen, sie zu akzeptieren und zu verkraften. – Diese pädagogische Ausgangslage gehört offenbar (bald) der Vergangenheit an, wie ein Beispiel aus der Wintersportstation Davos in Graubünden zeigt. Eine dortige Skischule hat das traditionell von ihr veranstaltete Skischüler-Rennen abgeschafft. Diese sportliche Prüfung mit Rangliste schüre, so die Begründung für diesen Schritt, bei den Kindern Ängste und führe zu traumatischen Entwicklungen, oder sie animiere zu übertriebenem Ehrgeiz. Mit dieser Massnahme dürfte sich die fragliche Skischule bei den Eltern unserer, durch Wettbewerb schon im Kinderhort geprägten Gesellschaft freilich nicht besonders beliebt machen. Soll der Wettbewerb unter Kindern, der (zwischen den Eltern) bereits im Geburtssaal beginnt (wer hat das schönste und das klügste Kind?), sich in der Schule fortsetzt und im Berufsleben die Spitze erreicht, nun im traditionellen Jugend-Skisport plötzlich entfallen?

Eltern befinden sich heute vor allem deshalb im Dauerstress, weil sie ihre Kinder oft überbehüten und Wünsche, die sie selber nie realisieren konnten, in die Kinder hineinprojizieren. Über die Kinder tragen sie ebenfalls einen permanenten Wettbewerb (mit andern Eltern) aus. Sie sind darauf bedacht, ihre Kinder täglich zu Spitzenleistungen anzutreiben, auch wenn sie bspw. für das Gymnasium oder die Universität ungeeignet sind oder über zu wenig sportliches Talent verfügen. Mit Nachhilfe- und Stützunterricht sowie mit anderen Hilfsmitteln wird versucht, aus den Kindern mehr zu machen als es ihren Anlagen und Fähigkeiten entspricht. Statt die Kinder Kinder sein zu lassen, werden diese angetrieben – beschönigend heisst das dann „Förderung“ -; und in der Tat kann es vorkommen, dass etwa das sportliche Umfeld an den Eltern resigniert. Es gibt Fussballklubs, die wegen der unmöglichen Eltern Kinder nicht mehr fördern und schulen wollen; die tobenden Väter am Spielfeldrand und die stets an allem nörgelnden Mütter sind nur ein Beispiel solcher Fehlentwicklungen. Deshalb ist der Schritt der Davoser Skischul-Verantwortlichen irgendwie verständlich. Die Kinder, die im Skischul-Rennen obenaus schwingen, könnten zu Überheblichkeit und dominierendem Verhalten den andern Mitbewerberinnen und –bewerbern gegenüber animiert werden. Die in der Rangliste schlecht platzierten Kinder laufen hingegen Gefahr, deswegen traumatisch geprägt zu werden. Offenbar fühlt sich hier niemand (Eltern, Trainer, Betreuer usw.) mehr willens oder in der Lage, ausgleichend – eben erziehend! – einzugreifen und den Siegern Demut sowie den Verlierern die produktive Verarbeitung von Niederlagen beizubringen. Dann eher auf Ranglisten verzichten, mit dem Ergebnis von Gleichmacherei. Aber das liegt ja ganz auf einer anderen Linie der heutigen, politisch über-korrekten Gesellschaft: Ja nicht zu sehr in irgendeine Richtung auffallen oder „über die Stränge schlagen“…

Der kompetitive Sport ist diesbezüglich allerdings naturgemäss real und oft auch brutal; Ranglisten lügen nun mal nicht. Das Beispiel der Super G-Olympiasiegerin Ester Ledecka aus Tschechien zeigt es: Mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung holte sich die Aussenseiterin heute Olympia-Gold vor der Top-Favoritin Anna Veith aus Österreich. Die Tschechin geniesst den sensationellen Sieg ohne Überheblichkeit, und Anna Veith trug ihre Niederlage ebenfalls sportlich: „Ester war halt einfach diese Hundertstel besser“, sagte sie im Zielraum. Offenbar haben diese beiden Protagonisten eine gute „Erziehung“ in dieser Hinsicht genossen. Dann ist es auch ganz einfach mit den Ranglisten. Man kann diese aber natürlich auch abschaffen; zum Schutz der Guten und der Schlechten – oder, um es etwas provokativ auszudrücken: aus (übertriebener) Rücksicht auf die schlecht Erzogenen und Lern-Unfähigen…

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