Das IOC zu Russland und „Olympia 2018“: Was entschieden wurde – und was nicht

(causasportnews / rbr. / 7. Dezember 2017) Am Dienstag (5. Dezember 2017) hat das Executive Board des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) seine Entscheidung zum sog. „Staatsdoping“ in Russland und insbesondere bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi bekannt gegeben. Grundlage dieser Entscheidung bildeten die Ergebnisse einer 17-monatigen Untersuchung einer Kommission unter der Leitung des ehemaligen Schweizer Sportministers Samuel Schmid. Das IOC Executive Board schloss sich den Feststellungen im Bericht der Kommission Schmid an und entschied, wegen „systematischer Manipulation des Anti-Doping-Systems in Russland“ und des Anti-Doping-Laboratoriums in Sotschi, im Wesentlichen Folgendes:

  • Das russische Olympische Komitee (ROC) wird mit sofortiger Wirkung suspendiert;
  • Russische Athleten können an den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang nur teilnehmen, sofern sie bestimmte, genau definierte Anforderungen erfüllen (u.a. benötigen die Athleten eine Einladung des IOC, sie müssen „sauber“ sein und dürfen nicht unter russischer, sondern nur unter olympischer Flagge starten);
  • Offizielle des russischen Sportministeriums werden nicht für die Olympischen Winterspiele 2018 akkreditiert;
  • Vitaly Mutko, damaliger russischer Sportminister, und Yuri Nagornykh, sein damaliger Stellvertreter, werden von der Teilnahme an allen künftigen Olympischen Spielen ausgeschlossen;
  • Der Präsident des ROC, Alexander Zhukov, wird als IOC-Mitglied suspendiert;
  • Das ROC hat dem IOC für seine Aufwendungen und die Errichtung der unabhängigen Testbehörde (ITA) insgesamt 15 Mio. US Dollar zu bezahlen.

Was die Suspendierung des ROC betrifft, ist anzumerken, dass die nationalen Olympischen Komitees (NOC) nicht Mitglieder des IOC – einem Verein nach Art. 60 ff. ZGB – sind; sie werden vom IOC lediglich anerkannt (ein NOC pro Land). Die Olympische Charta (OC) sieht die Suspendierung von NOC aber gleichwohl vor. Rechtlich gesehen handelt es sich daher um einen vorübergehenden Entzug der Anerkennung durch das IOC (vgl. Art. 27.9 OC; ein endgültiger Entzug wäre demgegenüber nicht vom Executive Board, sondern von der IOC-Session zu beschliessen, Art. 3 Abs. 7 OC). Auf das ROC an sich hat die Entscheidung keinen Einfluss: Das ROC wird weder aufgelöst (dazu hätte das IOC auch gar keine Befugnis) noch werden dessen Offizielle generell in ihren Funktionen gesperrt. Nur auf Ebene des IOC werden bestimmte ROC-Offizielle mit Sanktionen belegt. Weitere konkrete Folge der Entscheidung ist, dass das ROC im Moment keine finanziellen Mittel des IOC erhält; es partizipiert somit z.B. nicht an den Erlösen, die das IOC mit den Olympischen Winterspielen 2018 erzielen wird. Wie bereits bei den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro hat das IOC schliesslich davon abgesehen, sämtliche russischen Athleten von der Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 2018 auszuschliessen. Wie weitreichend die Folgen der Entscheidung in sportlicher Hinsicht tatsächlich sein werden, bleibt deshalb abzuwarten.

Mit der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft vom 14. Juni bis 15. Juli 2018 wird ein sportlicher Grossanlass in Russland stattfinden. Die Entscheidung des IOC Executive Board hat darauf aber keine unmittelbaren Auswirkungen. Veranstalterin dieses Anlasses ist die FIFA; das IOC und das ROC sind hier nicht involviert. Die Auflagen für russische Athleten und die Ausschlüsse von russischen Offiziellen betreffen lediglich die Olympischen Winterspiele 2018. Der einzig erkennbare Berührungspunkt besteht in der Person von Vitaly Mutko, der vom IOC lebenslänglich von den Olympischen Spielen ausgeschlossen wurde. Er ist Präsident des Lokalen Organisationskomitees (LOC) für die Fussball-Weltmeisterschaft 2018. Die Entscheidung des IOC beschlägt jedoch einzig seinen Ausschluss von den Olympischen Spielen. Obwohl Fussball eine olympische Sportart ist und die FIFA ein vom IOC anerkannter internationaler Sportverband, ist das IOC nicht befugt, Vitaly Mutko von der Mitwirkung an der Organisation der Fussball-Weltmeisterschaft auszuschliessen. Sie kann der FIFA auch keine entsprechende Anweisung erteilen. Die Entscheidung hierüber liegt – unter anderem – bei der FIFA bzw. der FIFA-Ethikkommission. Ob, und allenfalls wie, diese weiter vorgehen wird, ist derzeit offen.

Schliesslich hat die Entscheidung des IOC auch keinen Einfluss auf Russland als Austragungsort der Fussball-Weltmeisterschaft. Das Recht zur Austragung einer Fussball-Weltmeisterschaft wird von der FIFA – ebenfalls ein Verein nach Art. 60 ff. ZGB – jeweils an einen nationalen Fussballverband (oder evtl. an mehrere solche) vergeben, der wiederum Mitglied der FIFA ist. Dieser Verband errichtet sodann ein LOC, das den Anlass gemeinsam mit der FIFA organisiert. Das IOC und das ROC sind hier ebenfalls nicht beteiligt. Der Entscheid über den Austragungsort der Fussball-Weltmeisterschaft bzw. darüber, auf einen solchen Entscheid zurückzukommen, liegt bei den zuständigen FIFA-Organen, d.h. beim FIFA-Rat bzw. neu beim FIFA-Kongress.

Das internationale Sportschiedsgericht (Court of Arbitration for Sport, CAS) gab gestern zudem bekannt, dass 22 russische Athleten mit Berufungen gegen Entscheidungen der IOC-Disziplinarkommission an das CAS gelangt seien. Diese hatte insgesamt 25 russische Sportler wegen Dopingverfehlungen an den Olympischen Spielen 2014 nachträglich disqualifiziert und für alle künftigen Spiele gesperrt. Eine Entscheidung des CAS, voraussichtlich zumindest in Form von vorsorglichen Massnahmen, ist noch vor Beginn der Spiele in Pyeongchang (9. Februar 2018) zu erwarten.

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