Übergriffe im US-Turnsport zementieren Clichés

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Bindnachweis: pixabay.com

(causasportnews / red. / 28. März 2017) Was haben die katholische Kirche und der organisierte Turnsport gemeinsam? – Beide Bereiche werden immer wieder in Verbindung mit Missbrauchs-Skandalen gebracht. Die katholische Kirche etwa dann, wenn es um Übergriffe von Geistlichen auf (männliche) Jugendliche geht; dieses Phänomen wird dann gemeinhin als „Messdiener-Syndrom“ bezeichnet. Und der Turnsport, wenn Offizielle und insbesondere Trainer und Betreuer im organisierten Umfeld ihre Stellungen ausnützen und vor allem Mädchen bedrängen, belästigen oder gar schänden. Sowohl der katholischen Kirche als auch dem Turnsport haftet die Gemeinsamkeit an, dass viele Vorfälle nur zögerlich oder nach langer Zeit ans Tageslicht kommen und sich die Aufarbeitung von entsprechenden Vorgängen mühsam gestaltet, obwohl die Kirche sowie der organisierte Turnsport heute in der Regel bestrebt sind, öffentlich gewordene Skandale umfassend und transparent aufzuarbeiten. Aufgrund neuster Entdeckungen ist diesmal der amerikanische Turn-Verband (USA Gymnastics) gefordert, was allerdings nicht einfach ist, weil dem soeben abgetretenen höchsten Turnsport-Repräsentanten, Steve Penny, Versäumnisse beim Skandal, der vor allem in den USA gewaltige Wellen wirft, vorgeworfen werden. So prangern die Medien an, der Verbandschef und CEO von USA Gymnastics habe bei Verdachtsmomenten oder Missbrauchs-Anzeichen vor allem den Verband bzw. dessen Ruf und nicht die von Übergriffen betroffenen Turnerinnen geschützt und sich für diese eingesetzt. Die Vorkommnisse in den USA muten in der Tat erschütternd an: Von 368 gravierenden, belegbaren Missbrauchsfällen in den letzten Jahren ist die Rede, und die Zeitung „The Indianapolis Star“, welche den Skandal aufgebracht hat, rechnet überdies mit einer grossen Dunkelziffer. Nebst dem Präsidenten und CEO von USA Gymnastics, dem ein besonders lascher Umgang mit Verdächtigungen im Zusammenhang mit Übergriffen auf junge Turnerinnen vorgeworfen wird, gehören auch Trainer, Betreuer und beispielsweise der ehemalige US-Teamarzt Larry Nassar zu den Beschuldigten. Über 50 Trainer-Dossiers sollen während rund zehn Jahren vom US-Verband angelegt worden sein, ohne dass die Organisation zielstrebig, konsequent und transparent für notwendige rechtliche Schritte gegen mutmassliche Täter gesorgt hätte. Dies ermöglichte den Tätern teilweise, sich weiterhin an den Turnerinnen zu vergehen.

Der aufgeflogene Skandal, für den der oberste Repräsentant im US-Turnsport nun mit seinem soeben erfolgten Abgang büssen muss, bewirkt eines: Das Cliché, dass es insbesondere im Turnen immer wieder zu Missbrauchsfällen komme, wird zementiert, und die Theorie, dass in dieser Sportart die Nähe von jungen Sportlerinnen und Betreuungspersonal geeignet sei, kriminelle Energie bei den Erwachsenen frei zu setzen, wird bestätigt. Fast so wie bei bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche, wenn erwachsene Geistliche ihre Macht gegenüber unterlegenen Jugendlichen ausspielen.

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