FC Wil: Die Geschichte wiederholt sich

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Luft raus beim FC Wil?

(causasportnews / red. / 22. Februar 2017) Für eine Fussball-Professional-Liga ist es der Super-GAU schlechthin, wenn ein Klub während der laufenden Saison finanziell kollabiert. Und doch wiederholt sich diese Geschichte immer wieder – vor allem im Schweizer Fussball. Betroffen waren in der Vergangenheit vorwiegend Vereine aus der Westschweiz (vgl. etwa den Fall des FC Biel im letzten Jahr; Causa Sport News vom 8. Juni 2016). Und der FC Wil. Finanzielle Turbulenzen gab es im Ostschweizer Traditions-Klub immer wieder, letztmals gravierend vor bald 15 Jahren, als der Russe Igor Belanow die Mehrheit an der Klub-Aktiengesellschaft übernahm, den FC Wil zum bisher einzigen Cup-Erfolg führte und danach wieder verschwand, wie er gekommen war; der Nachlass in Wil präsentierte sich letztlich als Trümmerhaufen. Nun durften die angeblich schwerreichen Türken ran, mit dem Unterschied zu Igor Belanow, dass der FC Wil in den rund eineinhalb Jahren ihres Wirkens keinen sportlichen Erfolg erzielte – und sie jetzt Hals über Kopf verschwanden. Auch dieses Abenteuer dürfte im sportlichen und finanziellen Desaster enden. Doch der FC Wil kann sich auf einen rührigen Präsidenten stützen, der den Weg für „seinen“ Verein noch immer gefunden hat. Roger Bigger übernahm 2003 das Präsidium des Klubs von Andreas Hafen, der seine damalige Arbeitgeberin, die Grossbank UBS, um Millionen erleichterte und das Geld hauptsächlich in den Klub leitete. Roger Bigger versuchte es damals mit den Russen, nun mit den Türken. Beides ging schief, doch der Präsident, der im Krisenfall jeweils wie ein „deus ex machina“ alles wieder auf Kurs bringt, lässt sich durch solche Rückschläge nicht unterkriegen. Oder anders: Seit bald 15 Jahren hält der Präsident den FC Wil finanziell und sportlich am Leben.

Roger Biggers Fähigkeiten im Finanzbereich wurden natürlich auch von der Professional-Liga in der Schweiz (Swiss Football League) erkannt. Seit bald zehn Jahren gehört er der Exekutive der Liga (dem so genannten „Komitee“) an, seit über fünf Jahren verantwortet er die Finanzen der gesamten Professional-Liga. Böse Zungen behaupten seit Jahren, dass diese Konstellation in etwa so sei, wie wenn der Hund die Wurst bewachen würde. Die Swiss Football League erteilt nämlich die Spiellizenzen für eine Saison, nachdem die Klubs der beiden Abteilungen (Super League und Challenge League) nebst der sportlichen Qualifikation den Nachweis erbracht haben, dass sie in der Lage sind, für mindestens eine Spielsaison den Betrieb zu finanzieren. Das sieht nun in Wil allerdings schlecht aus, obwohl derzeit weder eine Nachlassstundung angeordnet noch der Konkurs über die FC Wil 1900 AG eröffnet worden ist. Das Verhalten der abgesprungenen Türken zeitigt jedoch im Moment vor allem sportliche Folgen. Spieler kündigen ihre Verträge per sofort oder planen den Abgang; der legendäre Kampfgeist der Mannschaft ist erlahmt. Spielverfälschung pur. Einstweilen ohne Folgen, sieht man von einem Verfahren ab, das die Disziplinarkommission der Swiss Football League gegen den FC Wil eingeleitet hat – wegen Verletzung der Bewilligungspflicht nach Aktienübertragung. Falls es Roger Bigger diesmal nicht gelingen sollte, das Klub-Schiff wieder auf Kurs zu bringen, wird das Verhalten von Gläubigern des Vereins wegweisend sein. Wer zu Schaden kommt, könnte sich durchaus einmal an die Liga halten. Mit der Lizenzerteilung hat die Liga die Verantwortung dafür übernommen, dass sie auf Grund ihres Kontrollsystems während einer Saison ein finanzieller Klub-Kollaps unmöglich ist. Das ist mehr als nur eine „Vertrauenshaftung“. Und die abgetauchten Türken der FC Wil 1900 AG? Als ehemalige Verwaltungsräte könnte sie dereinst durchaus eine Haftung treffen. Weil es sich angeblich um weltgewandte, global aktive Geschäftsleute handelt, dürfte man ihrer auch habhaft werden. Der „Fall Wil“ weist durchaus auch skurrile Züge auf. Nur zehn Kilometer von Wil entfernt liegt das beschauliche Dörfchen Bichelsee. Der Ort ist bekannt wegen seiner Gründungsgeschichte bezüglich der Raiffeisenbank-Bewegung in der Schweiz. Die Raiffeisenbank ist nota bene Hauptsponsorin der Swiss Football League. Was im konkreten Fall dem FC Wil allerdings nicht viel helfen dürfte…

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