Vereinigtes Königreich ohne König Fussball

crown-1065918_960_720(causasportnews / err. / 1. Juli 2016) Auch eine Woche nach dem Verdikt der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs, aus der Europäischen Union (EU) austreten zu wollen, gehen die Emotionen immer noch hoch. Keine etablierte Politikerin und kein etablierter Politiker hat offenbar mit einem derartigen Abstimmungsresultat gerechnet; die sonst kalkulierbare Propagandamaschinerie insbesondere der dem federführenden Polit-Establishment zugeneigten Medien hat versagt mit dem Ergebnis, dass offenbar reell nicht einmal die Möglichkeit eines Abstimmmungsausgangs, wie er nun vorliegt, in Erwägung gezogen worden ist – und die Lenker und Leiter Europas auf diese Situation offensichtlich überhaupt nicht vorbereitet waren. Die für den Austritt stimmende Mehrheit im Königreich wurde in ersten Reaktionen zumindest sinngemäss als Ansammlung fehlgeleiteter Irrlinge qualifiziert. Schliesslich weiss die etablierte Politik, was gut für die Menschen ist – und das Volk hat die entsprechenden Vorgaben zu befolgen, eben beispielsweise in Abstimmungen. Noch immer werden von Politikerinnen und Politikern, denen das Seelenheil der Menschheit besonders am Herzen liegt, Schreckens-Zukunftsszenarien nach dem Austrittsentscheid der Bevölkerung Grossbritanniens beschworen; insbesondere Deutschland schmollt (obwohl höchstwahrscheinlich das Hegemoniestreben der Deutschen Politik das undiskutable Abstimmungsergebnis weitgehend provoziert hat – Deutschland profitiert immerhin am meisten vom Gebilde „EU“), das permanent krisengeschüttelte Italien ist in Trauer versunken und Frankreich demonstriert auch in dieser Frage Hilflosigkeit. Das Verhalten der selbsternannten „starken“ EU-Mitgliedsstaaten nach dem Verdikt der Briten ist nicht dazu angetan, die Hoffnung am Leben zu erhalten, die EU werde in dieser Form noch lange existieren. Auch der geradezu in einer Parallelwelt agierende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker aus dem Zwergstaat Luxembourg, der ohne die EU nicht einmal in seinem Heimatland erkannt würde, hat den mentalen mundialen Notstand ausgerufen und drängt das selbstbewusste Vereinigte Königreich mit verbalen Rundumschlägen zu einem raschen Austritt aus der EU – so, wie es ein gehörnter und frustrierter Ehemann tun würde, der nach bekannt gewordener Untreue seiner Ehefrau (oder umgekehrt) diese umgehend los werden will. Der „Brexit“ ist jedenfalls der aktuelle „Hype“, der jedoch bald einmal durch den nächsten Empörungstatbestand abgelöst werden wird. Auch wenn nun allenthalben durch einen „Brexit“ der Untergang Europas beschworen wird und nur Negativfolgen nach dem beschlossenen, aber noch nicht formell erklärten Austritt aus der EU aufgezeigt werden, gibt es für Europa Zeichen der Hoffnung: Denn sogar die Schweizer Landesregierung beteiligt sich an der internationalen, kollektiven Trauerarbeit. Zum Trost für alle darf die Prognose gewagt werden, dass es den Menschen in Europa nach einer dannzumal vollzogenen Abkehr von der Gemeinschaft nicht elementar schlechter gehen wird als heute. Und trotz aller „Wenn und Aber“ wird das „Kapitel EU“ für Grossbritannien in absehbarer Zeit Geschichte sein.

Für die Mehrheit der Briten ist der (freiwillige) Austritt des Königsreichs aus der EU Wunsch und Wille. Da bleibt kein Raum mehr für Diskussionen oder für Sandkastenspiele mit der Aufgabenstellung, wie die Meinungsäusserung der Briten doch noch umgangen werden könnte. Gravierender scheint derzeit auf der Insel das (unfreiwillige) frühe Ausscheiden der englischen Nationalmannschaft aus dem Europameisterschafts-Fussballturnier in Frankreich zu sein. Im Mutterland des Balltretens prägt dieser Sport das  klassische Königtum mit, bzw. ist er ein wesentlicher Teil davon. König Fussball und Königin Elisabeth II. bilden seit Jahrzehnten die beiden tragenden Säulen des Reichs, das nun in Frankreich nach dem Spiel der Engländer gegen die kecken Isländer markanten Schaden genommen hat. Der britische Fussball hat nur wenige Tage nach der „Brexit“-Abstimmung den Nimbus des Königlichen verloren. Die Trennung des Königreichs von der EU kann aber vielleicht für „König Fussball“ auf der Insel eine Renaissance bewirken. Signifikant ist, dass die beste und wirtschaftlich interessanteste Professional-Fussballiga Europas von ausländischen Spielern geprägt wird. Das englische Nationalteam an der Europameisterschaft in Frankreich wirkte im Gegensatz zum hochklassigen Sport der Premier League wie ein Haufen Versprengter. Es fehlt im englischen Nationalteam schlicht das urwüchsige, englische „Spielermaterial“. Die Auswirkungen des Austritts Grossbritanniens aus der EU kann bewirken, dass der Fussball auf der Insel nach der Aufhebung der Personenfreizügigkeit künftig vermehrt mit einheimischen Spielern gestärkt werden wird – und damit die englische Nationalmannschaft (zu den Folgen des Austritts des Königreichs aus der EU mit Blick etwa auf die Freizügigkeitsproblematik vgl. auch causasportnews vom 24. Juni 2016). Aus dieser Perspektive könnte dem bevorstehenden EU-Austritt Grossbritanniens durchaus ein positiver Aspekt abgewonnen werden. Hat doch das Turnier in Frankreich deutlich gezeigt, dass der Nationalismus im Fussball ungebrochen ist und gelebt wird – nota bene nicht nur von Hooligans. Eine EU-Mannschaft will an einem solchen Turnier wohl niemand spielen sehen.

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