Mitte Oktober schockte das Deutsche Magazin „Der Spiegel“ mit der Hiobsbotschaft, die Fussball-Weltmeisterschafts-Endrunde in Deutschland 2006 sei gekauft worden. Mit 6,7 Millionen Euro, vorgeschossen vom verstorbenen Adidas-Top-Manager Robert Louis-Dreyfus. Seither wird von Heft zu Heft nachgelegt; die abenteuerlichsten Storys werden gesponnen, und vor drei Wochen trat DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zurück – im Erklärungsnotstand. Noch immer ist nicht klar, was mit den 6,7 Millionen Euro je geschehen ist. Es wäre auch verwunderlich, wenn dieses Rätsel je gelöst werden könnte. Der Vorgang erinnert eher an saloppen Umgang mit Geld und speziellen Buchführungsusanzen denn an kriminelle Energie der in die Öffentlichkeit gezerrten Protagonisten Robert Louis Dreyfus (gestorben), Wolfgang Niersbach (zurückgetreten) und Franz Beckenbauer (eher unantastbar). Zwischenzeitlich ermitteln die Deutschen Behörden wegen möglicher Steuerdelikte seitens des DFB. Das Sommermärchen nur noch im Fokus der Steuerfahnder und kein Fall mehr für Korruptionsjäger? Es scheint so zu sein. „Der Spiegel“ tischt zwar immer neue Versionen auf, was mit dem geflossenen Geld geschehen sein könnte (in der jüngsten Ausgabe ist von DFB-Geld die Rede, das in die Karibik geflossen sein soll („Der Spiegel“, 19.11.2015, 115); die angeblich mit dem Geld gekaufte WM bzw. die angeblich gekauften vier Stimmen der Exekutivkomitee-Mitglieder der FIFA werden nicht einmal mehr ansatzweise erwähnt. Gut für Medien, die so ihre Leser/innen bei Laune zu halten versuchen, dass die Aktualität die Behauptungen i.S. DFB und Stimmenkauf in den Hintergrund gedrängt hat. Der Vorgang ist aber ein Abbild der heutigen Medienwelt: Man nehme eine Vermutung, die allenfalls sachverhaltsmässig erstellt werden könnte, walze die Vermutungen breit, hoffe darauf, dass aufgrund der Vermutungen die Wahrheit ans Licht komme. Oft funktioniert diese Vorgehensweise, im konkreten Fall aber offenbar nicht. Klar ist im Moment im „DFB-Skandal“ einzig, dass nicht vollzogen werden kann, wofür 6,7 Millionen Euro geflossen sind. Die Rechnung des Hamburger Magazins ist zumindest bis anhin nicht aufgegangen. Die dem DFB durch Vermutungen zugeschobene Beweislast hat bisher nichts Zählbares gebracht, ausser ein Bauernopfer in der Person des DFB-Präsidenten. Oder anders: Die medial inszenierte Beweislastumkehr, wie sie sonst im Sport hauptsächlich in Dopingsanktionsfällen vorkommt, hat (in diesem Fall bis dato) nicht funktioniert. Immer noch darf Deutschland daran glauben, dass das Sommermärchen auf einer reellen Geschichte beruhte und nicht auf Zuschlags-Korruption basierte.
„DFB-Skandal“: Bisher erfolglose mediale Beweislastumkehr
Kommentar verfassen