Die in der „Causa Pechstein“ zuletzt ergangenen Urteile deutscher Gerichte haben im Sport einige Unruhe und in der Sportrechtsliteratur einen veritablen „Sturm im Blätterwald“ ausgelöst. Die überwiegenden Reaktionen, vor allem diejenigen im unmittelbaren Anschluss an die betreffenden Urteile, waren von Befürchtungen dominiert, die „Causa Pechstein“ könnte das Ende der Sportschiedsgerichtsbarkeit – oder zumindest des „Schiedszwangs“ im Sport bedeuten. Rasch machte das Wort vom „zweiten Bosman-Fall“ die Runde. Nach der Bosman-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vor fast genau 20 Jahren waren die Transfersysteme der Fussballverbände kollabiert.
Besonnenere Stimmen sehen die Situation indessen deutlich weniger skeptisch. So jüngst insbesondere etwa die Sportrechtler Urs Scherrer, Remus Muresan und Kai Ludwig, die in einem Beitrag in der Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ; 2015, S. 161 ff.) zum Schluss kommen, dass der Schadenersatzklage-Fall von Claudia Pechstein hinsichtlich seiner (potenziellen) Auswirkungen mit dem „Bosman-Fall“ nicht zu vergleichen sei. Insbesondere bedeuteten die – vom Münchner Landgericht und vom Münchner Oberlandesgericht gefällten – Urteile nicht das Ende der Sportgerichtsbarkeit.
Die deutsche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein kämpft nach einer – ihrer Meinung nach ungerechtfertigten – Dopingsanktion seit Jahren um ihre Rehabilitation. Sie fordert nun auf dem Gerichtsweg von den involvierten Sportverbänden Schadenersatz in Millionenhöhe und hat beim Landgericht München eine entsprechende Klage gegen die Deutsche Eisschnelllauf-Gesellschaft (DESG) und die International Skating Union (ISU) eingereicht. In der Sache selbst ist zwar noch nichts entschieden, doch haben sowohl das Münchner Landgericht als auch das – als Berufungsinstanz angerufene – Münchner Oberlandesgericht festgestellt, dass sie als staatliche Gerichte durchaus zuständig seien, die Streitsache zu beurteilen. Dies, obwohl die betroffene Athletin eine Schiedsklausel zugunsten des Sportschiedsgerichts CAS unterschrieben hatte. Die beiden Gerichte folgten der Auffassung Pechsteins, dass der „Schiedszwang“ im Sport aufgrund der Ausgestaltung des CAS und der entsprechenden Verfahren rechtswidrig sei. Das Verfahren – und mithin die Zuständigkeitsfrage – liegt nun beim deutschen Bundesgerichtshof (BGH). Nach dessen Urteil, das in Bälde erwartet wird, könnte die Sport(rechts)welt freilich schon wieder ganz anders aussehen.