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Ein FIFA-Sitz oder kein FIFA-Sitz – das ist hier die Frage

causasportnews / Nr. 1143/05/2024, 22. Mai 2024

Home of FIFA, Zürich, © Ed Coyle

(causasportnews / red. / 22. Mai 2024) Seit der Kongress-Beschluss des Weltfussball-Verbandes (FIFA) bekannt geworden ist, die explizite, örtliche Sitz-Bestimmung aus den FIFA-Statuten zu streichen, sind die Folgen dieser Entscheidung ins Zentrum des Interesses der Sportpolitik gerückt (vgl. auch causasportnews vom 19. Mai 2024). Was hat die Weltfussballer bewegt, «Zürich» aus der Verfassung, dem Grundgesetz des Verbandes zu streichen? Soll damit seitens des Verbandes mit seinem stets beleidigten, geringgeschätzten und rachesüchtigen Präsidenten eine Drohkulisse gegenüber der Schweiz aufgebaut werden, um Macht zu demonstrieren? Oder, um dann zu erkennen, dass eine Sitzverlegung des Verbandes ins Ausland nicht so leicht zu bewerkstelligen sein wird und der Verbleib der FIFA als Verein nach Schweizerischem Recht (Art. 60 ff. des Zivilgesetzbuches, ZGB) in der stabilen und kalkulierbaren Schweiz im globalen Sport-Kontext nicht die schlechteste Lösung ist? Oder ist man den Kommunisten und Klassenkämpfer, vor allem im Kanton Zürich, auf den Leim gekrochen, die nach dem Beschluss des FIFA-Kongresses von Ende letzter Woche bereits hoffnungsvoll und siegessicher die Vertreibung des ungeliebten, kapitalistischen Weltverbandes aus Zürich feiern, obwohl diesbezüglich an sich noch gar nichts geschehen oder entschieden ist?

Die gewohnt verunglückte Kommunikation der FIFA – auch in dieser Causa – und das laienhafte bis unzutreffende Rechtsverständnis des Weltverbandes haben nun zur Kernfrage geführt, ob es überhaupt möglich sei, dass ein Schweizer Verband wie die FIFA überhaupt keinen Sitz festlegen müsse und so «sitzlos» sein dürfe? Schon diese Ausgangsfrage muss präzisierend so beantwortet werden: «Zürich» als Sitzort der FIFA ist aus den Statuten gestrichen worden. Dennoch muss der Verband weiterhin einen Sitz (in der Schweiz aufweisen) aufweisen. Diese Situation wird in Art. 56 ZGB (allgemeine Bestimmungen der juristischen Personen, zu denen auch der Verein gehört, geregelt. Dort heisst es: «Der Sitz der juristischen Person befindet sich, wenn ihre Statuten es nicht anders bestimmen, an dem Orte, wo ihre Verwaltung geführt wird.»). Die FIFA-Statuten sehen «Zürich» nun nicht mehr als Sitzort vor, es findet sich in der FIFA-Verfassung also keine Bestimmung mehr bezüglich des Sitzes. Somit befindet sich der Sitz des Weltverbandes, am Ort, wo die FIFA-Verwaltung geführt wird – und das ist…»Zürich», im «Home of FIFA»!

Bezüglich des Sitzes der FIFA hat sich also seit dem entsprechenden Kongress-Beschluss keine Änderung ergeben, lediglich die vereins- bzw. gesellschaftsrechtliche Grundlage hat sich geändert. «Zürich» ist nicht mehr Sitz der FIFA gemäss statutarischem Recht, sondern aufgrund der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Auffangbestimmung gemäss Art. 56 ZGB. Es stellt sich also hier und im Gesamtkontext nicht die Frage: Ein Sitz oder kein Sitz? Sondern: Ein Sitz aufgrund einer (nicht mehr vorhandenen) Statuten-Bestimmung oder gestützt auf eine allgemeine, gesellschaftsrechtliche Norm (Art. 56 ZGB)?

Zugegeben, das alles ist nicht ganz einfach zu verstehen oder mutet verwirrlich an. Gesetzeskenntnisse erleichtert allerdings auch in dieser Sache die Rechtsfindung ungemein! Weil in Zürich, im «Home of FIFA» praktisch nur noch ausländische Juristinnen und Juristen ohne Minimalkenntnisse des schweizerischen Vereinsrechts herumwerkeln, verwundert das aus der FIFA-Zentrale verursachte Sitz-Chaos jedoch nicht.

FIFA so (un)sicher wie Wetterprognosen

causasportnews / Nr. 1142/05/2024, 19. Mai 2024

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(causasportnews / red. / 19. Mai 2024). Mit dem Weltfussballverband (FIFA) verhält es sich ungefähr gleich wie mit den Wetterprognosen. Im Home of FIFA auf dem Zürcher Sonnenberg sind die Regeln der Sportpolitik einigermassen gleich geartet wie die Blicke auf künftige Wetterlagen. «Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist». Das einzig Sichere ist bei den Wetterprognosen und in der FIFA-Sportpolitik das Unsichere. Das geht im Weltfussball etwa so: Am soeben zu Ende gegangenen Kongress (Vereinsversammlung, Art. 64/65 ZGB) des Verbandes in Bangkok, der als Schweizer Verein gemäss Art. 60 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB) organisiert ist, gab die Streichung des Sitzortes («Zürich») aus den Statuten des Weltverbandes zu reden, nämlich dergestalt, ob das nun das Ende der FIFA in Zürich und in der Schweiz sei. Bis anhin hiess es glasklar: «Der Sitz der FIFA befindet ich in Zürich (Schweiz). Er kann nur durch einen Kongressbeschluss verlegt werden.» Nun sind die Statuten so geändert worden, dass die «Zentrale» des Verbandes in Zürich liegt, bis der Kongress eine Entscheidung über den Hauptsitz getroffen hat.

Was ist nun neu an dieser Rechtslage? Nichts natürlich. Nur, dass der Sitz «Zürich» aus den Statuten eliminiert worden ist. Im Moment scheint auf den ersten Blick allenfalls unklar, wo sich der Sitz des Verbandes befindet – die Antwort kann dem Gesetz entnommen werden. Art. 56 ZGB sieht (eine statutarische Regelung vorbehalten) nämlich vor, dass sich der Sitz eines Vereins an dem Orte, wo seine Verwaltung geführt wird, befindet; das ist nun bezüglich der FIFA sicher Zürich (ohne dass die Bezeichnung «Zürich» in den Statuten vorkommen müsste). So hätte man formell getrost auf die nun angenommene Statutenänderung verzichten können und, bei Wegzugsgelüsten, dann einfach den entsprechenden Kongressbeschluss fassen können. Aber die Provokation um den Wegzug der FIFA war wohl gewollt. Der FIFA-Präsident Gianni Infantino, der sich ungeliebt, unverstanden, und von der Schweiz permanent ungerecht behandelt fühlt, und dem man, nach seinem Empfinden, die für ihn wichtige Ehrerbietung verweigert, ist seit Jahren betupft, wenn es um die in seinen Augen ungenügende Anerkennung seitens der Menschen und von Gott geht. Der Mann, der sich als «Büüchjurist» (Walliserdeutsch für «Bauchjurist, der seine Entscheidungen nach Bauchgefühl trifft) bezeichnet, identifiziert sich bekanntlich auch immer anders als andere. So fühlte er sich vor der WM-Endrunde in Katar eben katarisch, arabisch, behindert, homosexuell und als Wander-Arbeiter. Aktuell wird er sich als «Nemo» fühlen – in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes und was dem 54jährigen Walliser nun wohl den Ruf eines «Nemo» des Sportfunktionärswesens eintragen dürfte. Juristisch hat die aktuelle Sitzreform im Rahmen der FIFA-Statuten gar nichts gebracht. Die Rechtslage ist nach wie vor dieselbe als vor dem Kongress in Bangkok.

Zweifelsfrei hat der FIFA-Präsident mit der Eliminierung Zürichs aus der FIFA-Verfassung eine symbolische Distanzierung zur Zwingli-Stadt gewollt. Vielleicht ist es sogar eine Drohgebärde. Das offizielle Zürich schweigt zu diesem Schritt der FIFA, zumal der Weltverband eine private, autonome Vereinigung des Privatrechts ist. Letztlich wird man zum Schluss kommen, wenn das Thema konkret werden sollte, dass man Reisende nicht aufhalten soll. Die Schweiz kann insofern in der «Causa FIFA» entspannt zurücklehnen, weil sich Befürworter und Gegner des Weltverbandes in der Schweiz eh etwa die Waage halten dürften. Realistischerweise dürfte es für die FIFA auch nicht leicht sein, ein Äquivalent zur Schweiz zu finden. Eine Sitzverlegung der FIFA zu den erklärten Freunden Gianni Infantinos in Russland, in Katar, in Saudi Arabien und an anderen lustigen Destinationen (vor allem Frankreich mit dem Hansdampf in allen Gassen, Emmanuel Macron) dürfte nicht so rasch eine Kongressmehrheit finden. Nach wie vor gilt die Schweiz als Hort der Stabilität und Sicherheit auch für internationale Sportverbände und -organisationen. Etabliert ist die Schweiz u.a. auch in der Sport-Verbandsrechtssprechung. In einem Punkt wird man aber ein gewisses Verständnis für die FIFA mit Blick auf die offenkundigen Abwanderungsgelüste aufbringen müsste. Bevölkerung, Parlamente aller Stufen und Politiker aller Provenienzen haben den Verband in den letzten zwanzig Jahren immer wieder und teils sehr ungerechtfertigt ins Kreuzfeuer genommen und in verschiedener Hinsicht ungerechtfertigt attackiert. Verständlicherweise nicht leicht zu verschmerzen ist die Haltung der Schweizer Regierung im Zuge der Korruptionsaffären um Fussball-Sportfunktionäre vor allem aus Südamerika. Die helvetische Exekutive hat den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden 2015 die FIFA-Funktionäre praktisch ans Messer geliefert und mit dem amerikanischen Justiz-Departement (Department of Justice) paktiert, mit dem Ergebnis, dass die Fussballfunktionäre gleich in Gruppenstärke im Hotel «Baur au Lac» in Zürich unter den Augen der Weltöffentlichkeit abgeführt werden konnten. Zwar liebt man den Verrat, aber die Verräter nicht. So ist es erklärbar und auch verständlich, dass sich die Aversionen der FIFA gegen die Schweiz und gegen Zürich nicht mehr so leicht abbauen lassen – und nun die Bezeichnung «Zürich» aus dem Grundgesetz des Weltverbandes getilgt worden ist.