causasportnews / Nr. 1036/07/2023, 17. Juli 2023

(causasportnews / red. / 17. Juli 2023) Vor einem Jahr war alles anders und bewegte die Menschheit rund um den Globus: Da wurde die Welt erschüttert nach dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der am 24. Februar 2022 begann und in grauenvoller Art immer noch andauert. Damals zeigte sich der organisierte Sport ziemlich entschlossen, dass russische und weissrussische Sportlerinnen und Sportler vom Sport ausgeschlossen werden sollten. Der Boykott gegenüber dem Kriegstreiber Russland und gegenüber den Aktiven aus Russland und dem Russland-Sympathisanten Weissrussland war rigoros. Eine Ausnahme bildete das Welt-Tennis, das von Russland-Supportern, Opportunisten und Interessenvertretern beherrscht wird. Die Organisatoren des wohl berühmtesten Tennis-Turniers von Wimbledon widersetzten sich der Tennis-Weltdoktrin und liessen Athletinnen und Athleten aus Russland und Weissrussland in Wimbledon 2022 nicht zu; zweifellos erfolgte dieser Entscheid des organisierenden, privaten Vereins in Einklang mit der konsequenten Haltung der britischen Regierung (causasportnews vom 29. Mai 2022). Doch nun hat sich die Situation geändert, der Krieg dauert bereits weit über 500 Tage, die Kriegsmüdigkeit ausserhalb der Schlachtfelder in der Ukraine ist spürbar und irgendwie hat sich die Welt, horribile est dictu, auch an diesen diabolischen Event gewöhnt. Jedenfalls erlebte Wimbledon 2023 einen Meinungs- und Haltungsumschwung. Im soeben zu Ende gegangenen Rasenturnier spielten Athletinnen und Athleten aus Russland und Weissrussland ebenso wieder mit wie Aktive aus der geschundenen Ukraine. Der All England Lawn Tennis and Croquet Club hat sich offenbar dem globalen Tenniskartell beugen müssen und sich verzwergen lassen. Das führte zwar in Wimbledon zu blamablen Szenen, etwa, als die Weissrussin Viktoria Asaranka das Publikum, das sie (zugegebenermassen unschön) ausbuhte, als «betrunken» bezeichnete. Unheiliges also auf dem «heiligen Rasen» von Wimbledon, und ein Vorgeschmack auf die Olympischen Sommerspiele im kommenden Jahr in Paris, falls Aktive aus Russland, Weissrussland und der Ukraine in den Wettkämpfen aufeinander treffen sollten und von ihnen ein Handshake erwartet wird.
Wenigstens machte letztlich der Sport die delikate Situation in Wimbledon vergessen. Keine Aktiven aus Russland und Weissrussland in den beiden Finalspielen, und bei den Frauen eine Tschechin (Marketa Vondrousova) als Siegerin. Bei den Männern geschah mehr als Unerwartetes: Der Spanier Carlos Alcaraz setzte sich nach einem fast fünfstündigen Tennis-Drama gegen den derzeit wohl besten Spieler der Welt, Novak Djokovic, durch. Da war resultatmässig auch die Tennis-Welt mit Blick auf den erfolgsversprechenden Spanier und die Weltlage in Ordnung, nachdem sich der Serbe Novak Djokovic, der die bittere Niederlage sportlich trug und sich so in England zumindest keine Sympathien verscherzte, als fairer Sportsmann erwies. Wobei wir wiederum bei der aktuellen Weltlage wären. Die Haltung Serbiens gegenüber Russland ist vor allem für die Briten tendenziell unverständlich. So gab es unter diesem weitgehend emotionalen Gesichtspunkt in Wimbledon für das Publikum und die Tennis-Welt mit Carlos Alcaraz den «richtigen Sieger». Letztlich hing das Damoklesschwert der Russland-Aggression, welche durchwegs Auswirkungen auf den Sport und seine Protagonisten zeitigt, zwei Wochen über dem berühmten Rasen-Turnier. Der Sport und die Resultate bewirkten letztlich, dass der grauenvolle Krieg und seine Auswirkungen schwächer waren als das 2023 in Wimbledon Gezeigte.
