causasportnews / Nr. 1099/01/2024, 11. Januar 2024

(causasportnews / red. err. / 11. Januar 2024) Nach dem Tod von Franz Beckenbauer wird einer der berühmtesten Fussballspieler, der mit dem Ball am Fuss auf dem weit grösseren Erdball schnörkellos perfekt umzugehen wusste, wie ein «Gott» gewürdigt und von diesem Planeten durchaus adäquat verabschiedet. Nach Beendigung seiner irdischen Reise hat er sich gleichsam unsterblich gemacht, und die Medien überschlagen sich nach seinem Tod in Superlativen. De mortuis nihil nisi bene – nein, das passt nicht zu Franz Beckenbauer, der korrekterweise durchwegs authentisch-positiv dargestellt wird. Eigentlich ist über die am 11. September 1945 in München geborene und am 7. Januar 2024 in Salzburg verstorbene Lichtgestalt der Sportwelt seit dem Bekanntwerden seines Ablebens alles gesagt worden, weshalb die Würdigung des «Kaisers» in diesem Forum an sich überflüssig wäre. Doch der Respekt vor einer grossen Figur der Sport-Weltgeschichte rechtfertigt, ja verlangt ein paar Zeilen – gleichsam als Hommage gegenüber diesem aussergewöhnlichen Sportler und Menschen.
Apropos «Kaiser Franz»: Abgewandelt vom Bonmot «Der König ist tot – es leben der König» war Franz Beckenbauer eben mehr als ein König, und der Umstand, dass damit die Kontinuität der französischen Erbmonarchie – auf einen König folgte bei dessen Abgang umgehend ein neuer König – fokussiert wurde, galt für die Münchner Sport-Legende diese Redewendung eben gerade nicht. Der Deutsche König des Fussballs war eben mehr als ein König, eine Persönlichkeit, die zu Lebzeiten der Normal-Sterblichkeit eines Königs entrückt war, und sich eben in der Adels-Rangordnung als höherer «Kaiser» mit Gott annähernden Zügen etablierte. Der Verstorbene wird als Lichtgestalt gewürdigt, die – dicitur – aber auch Schattenseiten aufwies. So etwa im Zusammenhang mit der Vergabe der WM-Endrunde an Deutschland 2006, um die sich zahlreiche Mythen rank(t)en und die das «Sommermärchen» ermöglichte.
Franz Beckenbauer war keinesfalls ein «Geldmensch», dieses Fazit darf der Schreibende, der den Ausnahmekönner am Ball auch persönlich gekannt hat, durchaus ziehen. Auf «Geld» angesprochen, meine Franz Beckenbauer, in ärmlichen Verhältnissen im Nachkriegs-Deutschland aufgewachsen, einmal: «Ja mei, das liebe Geld, davon gibt es immer wieder, wenn man arbeitet oder sonst Glück hat». Für ihn stand trotz der Aura, die ihn und sein Leben neben und ausserhalb des Sportes umgab, stets der Fussball im Zentrum; in seinen Funktionärsrollen, etwa im Rahmen des Fussball-Weltverbandes FIFA, fühlte er sich offensichtlich nicht durchwegs wohl. Das Münchner Urgestein spielte den Fussball nicht; er zelebrierte ihn, eben wie ein «Kaiser». Mit der legendären Nummer 5 dirigierte Franz Beckenbauer das Spiel. Dieses «las» er, die Augen selten am Ball, sondern magistral-kaiserlich auf das Spielfeld gerichtet. Neben und ausserhalb des Sportes trifft für ihn die Qualifikation als «Lichtgestalt» durchaus zu. Nur schon mit seiner Anwesenheit leuchtete «Kaiser Franz» auch in dunklen Räumen, meinte ein enger Freund des Verstorbenen, der Sportreporter Marcel Reif. Stets bescheiden und umgänglich, nie ausfällig oder verletzend, sagte Franz Beckenbauer einmal, es sei schon ein Privileg, in einem Sport, der so leicht zu erfassen sei, sich Respekt und Gehör zu verschaffen. Und weiter: «Mit seinen wenigen Grundregeln und mit dem einfachsten Sportgerät, dem Ball, sei Fussball für alle verständlich, deshalb sei er wohl derart beliebt». Deshalb sei auch jeder Zuschauer prädestiniert, als Bundestrainer zu wirken. Heute verfügt Deutschland immerhin weit über 80 Millionen Bundestrainerinnen und -trainer. Die Lockerheit im Spiel, die Nonchalance am Ball, die Gabe, als Akteur das Spiel zu «lesen» und die Leichtigkeit des fussballerischen Seins sowie die Vollkommenheit als Sportler bewirkten dennoch nicht, dass Franz Beckenbauers Sportler- und Trainerkarriere nicht auch Druck bedeutete. Wie er denn mit diesem Druck umgehe, wurde er einmal gefragt. «Indem ich ihn hinten ablasse», meinte er mit einem verschmitzten, charmanten Lächeln. Mit seinem Humor dürfte mit Franz Beckenbauer der nun wohl prominenteste Münchner im Himmel angekommen sein – wohl etwa so, wie dies schon der Schriftsteller und Satiriker Ludwig Thoma 1911 skizziert und u.a. der Münchner Komiker Karl Valentin grundsätzlich inszeniert hatte.
