causasportnews / Nr. 1125/03/2024, 27. März 2024

(causasportnews / red. / 27. März 2024) Am 14. Juni 2024 sollte in Deutschland die Fussball-Europameisterschaft beginnen, und nach Planung wird am 14. Juli 2024 der (neue?) Europameister feststehen. Doch weshalb sollte das Turnier überhaupt noch gespielt werden? Es besteht an sich kein Grund hierfür, denn der Europameister heisst bereits jetzt…Deutschland! Nach Test-Siegen gegen Frankreich und Holland tönt es nicht nur vom Boulevard her: Deutschland wird nicht, sondern ist bereits jetzt neuer Europameister. Zumindest ist das Team von Julian Nagelsmann nach Deutschen Bescheidenheitsbeteuerungen Europameister der «Herzen», und die neuste Auflage eines «Sommermärchens» lässt sich zwischen dem 14. Juni und dem 14. Juli, übrigens mit dem Finalspiel am Nationalfeiertag Frankreichs, in jedem Fall feiern. Weshalb denn überhaupt noch ein Kontinental-Turnier austragen, wenn der Sieger bereits feststeht?

Aber vielleicht kommt alles doch noch ein wenig anders, und das Land mit den gefühlten 85 Millionen Bundestrainerinnen und -trainern darf sich des Turniererfolgs trotz der entfachten Euphorie noch nicht ganz sicher sein. Denn wie verhält es sich schon mit dem Umstand der geglückten Hauptprobe und der misslungenen Premiere? Die beiden soeben realisierten Siege gegen Frankreich und Holland bringen Fussball-Deutschland jedenfalls in die Stimmung, welche das ganze Land anlässlich der WM-Endrunde 2006 flächendeckend erfasste – auch wenn der Sieger am Schluss Italien hiess. Dabei sein kann bekanntlich oft schöner sein als siegen. Deutschland sollte im Erfolgsrausch jedoch beispielsweise die solide Fussball spielende Schweiz nicht vergessen, oder die Österreicher, welche die Türken soeben mit einer beeindruckenden 6:1-Packung in die Kabine schickten.
Der Deutsche Fussball-Bund (DFB), die Organisation, welche auch für den Gewinn des Europameister-Titels 2024 verantwortlich zeichnet, sowie die Deutsche Nationalmannschaft, die nun nicht mehr nur «Die Mannschaft» heissen darf, sorgen auch ausserhalb des Spielfeldes für Neuigkeiten, die grundsätzlich und genauer betrachtet eben doch wieder mit dem Spielfeld zu tun haben. Es geht um den Ausrüster des Verbandes und somit der Nationalmannschaft. Nach rund 70 Jahren wird ab 2027 ein neues Unter-Kapitel im Ausrüster-Kapitel geschrieben, denn dann wird die Kult-Marke «adidas» vom amerikanischen Konzern «Nike» abgelöst. «adidas» war und ist seit jeher mehr als ein Verbands- und Mannschafts-Ausrüster. «adidas» ist Kult, ein Mythos und ist vor allem mit dem deutschen Sport im Allgemeinen und mit dem DFB und der Nationalmannschaft im Besonderen seit Jahrzehnten, materiell und personell, eng bis engstens verbunden. Die Marke verkörpert Heimat, Tradition und Ideologie zugleich; letztere ist auf die örtliche Implementierung des «adidas»-Konzerns in Herzogenaurach bei München zurückzuführen. In diesem beschaulichen Dorf wirkte die Sport-Kult-Figur Adi Dassler, der Unternehmensgründer, Erfinder und Sportartikelproduzent von «adidas». Sein Bruder, Rudolf Dassler, gründete nach Zwistigkeiten, wie sie unter Brüdern vorkommen können, die Marke «Puma». Adi Dassler, der beim «Wunder von Bern» 1954 noch eigenhändig die Stollen in die von ihm entwickelten Fussball-Schuhe für Deutschlands Weltmeister-Team schraubte, wurde zu einer zentralen Figur im Sportartikel-Business und legte in der Schweizer Hauptstadt die Basis für ein jahrzehntelanges, fruchtbares Wirken nicht nur zwischen «adidas» und den Funktionären sowie Gefolgsleuten im DFB, das später durch seinen Sohn, Horst Dassler, fortgeführt wurde. Der Sportartikelkonzern aus Bayern entwickelte und etablierte sich als globaler Player in der Sportindustrie, nicht immer im positiven Sinn. Kontinuierlich rankten sich Manipulationsgerüchte um «adidas» und Horst Dassler; mit der umstrittenen und schillernden Sport-Verwertungsgesellschaft «ISL» in der Schweiz lief das Business unter Involvierung von Sport-, Wirtschafts- und Polit-Grössen durchwegs wie geschmiert.
Mit dem Ende des Wirkens zwischen «adidas» und dem DFB findet ein langjähriges Zusammenwirken im Sport mit allen seinen Facetten ein Ende. Es wird gleichzeitig eine eherne Tradition in der Sport-Vermarktung auf dem Müllhaufen der Sportgeschichte kompostiert. Weshalb nun die Trennung im Jahr 2026 vollzogen wird und weshalb sich der DFB mit dem Marktleader «Nike» als Ausrüster-Partner zusammenfindet, ist nachvollziehbar. Die Amerikaner zahlen für die Kooperation für die Zeit von 2027 bis 2034 doppelt so viel wie bis anhin «adidas» für dieselbe Zeitspanne. 800 Millionen Euro sollen es sein. Gebrauchen kann der DFB das Geld offensichtlich. Gemunkelt wird von einer finanziellen Schieflage im Verband und Steuernachzahlungen.
Nach dem «Wunder von Bern» war «adidas» ein Symbol für das nach dem Krieg in Deutschland angeworfene Wirtschaftswunder. Nun wird ein Unternehmens-Mythos von den nüchternen Gesetzen der Marktwirtschaft im Sport abgelöst.
