(causasportnews / red. / 14. Februar 2019) Es ist eher selten, dass sich die interne Justiz eines Sportverbandes gegen ebendiesen Verband stellt, obwohl der nachfolgend geschilderte Sachverhalt durchaus kein Unikum im Sport-Verbandswesen darstellt und solche Konstellationen immer wieder vorkommen. Doch die juristischen Konsequenzen eines derartigen Vorgangs weisen Seltenheitswert auf. Er hat sich unlängst im Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS), einem Verein nach schweizerischem Recht (Art. 60 ff. Zivilgesetzbuch) mit Sitz in Bern, zugetragen: Das Verbandsgericht des SVPS – als sog. „unechtes Schiedsgericht“ – hat nach einem rund eineinhalb Jahre dauernden Verfahren gegen vier Mitglieder der Selektionskommission für die Disziplin Endurance (SELKO) Verwarnungen ausgesprochen (Entscheid des Verbandsgerichts SVPS vom 29. Januar 2019 i.S. U.W. c. SELKO SVPS).
Hintergrund der Auseinandersetzung ist die Selektion der schweizerischen Reiterpaare für die Europameisterschaft Endurance 2017 in Brüssel. Die SELKO hatte die Reiter mit den besten sportlichen Resultaten nicht für diesen Anlass selektioniert, unter Verweis auf die angeblich mangelnde „Teamfähigkeit“ der betreffenden Reiter. Einer der betroffenen Sportler, seines Zeichens mehrfacher Medaillengewinner an internationalen Anlässen in dieser Disziplin, erstattete daraufhin Anzeige gegen die SELKO-Mitglieder bei der Sanktionskommission des SVPS (SAKO). Er warf ihnen „Günstlingswirtschaft“ bei der Selektion vor und verlangte deren Bestrafung durch die SAKO. Nachdem die SAKO eine Sanktionierung der SELKO-Mitglieder Mitte 2018 abgelehnt hatte, gelangte der Anzeigeerstatter mit Beschwerde an das Verbandsgericht.
Das Verbandsgericht hat die Beschwerde des Anzeigeerstatters kürzlich gutgeheissen und den Entscheid der SAKO, das Verfahren gegen die Mitglieder der SELKO einzustellen, vollumfänglich aufgehoben. Es kam zum Schluss, dass die SELKO-Mitglieder bei der Selektion für die EM-Endurance 2017 formelle Verstösse gegen das SELKO-Reglement begangen hätten; insbesondere hätten sie gegen die Bestimmung verstossen, unabhängig zu entscheiden (Art. 2.2 Abs. 2 SELKO-Reglement). Die personellen Verflechtungen innerhalb der SELKO seien derart intensiv gewesen, dass von eigentlichen Unvereinbarkeiten in der SELKO ausgegangen werden müsse. Das Verbandsgericht kritisierte auch den Umstand, dass eine der für die EM-Endurance 2017 selektionierten Reiterinnen die Ehefrau des Vorsitzenden der SELKO war. Es sprach deshalb gegen die vier beteiligten SELKO-Mitglieder (eines davon ist immer noch im Amt) eine Verwarnung gemäss Art. 11.3 Abs. 1 lit. a Anhang 1 des Generalreglements aus. Es verurteilte den SVPS zudem zur Tragung der Verfahrenskosten und sprach dem Anzeigeerstatter eine Parteientschädigung für seine Aufwendungen im Verfahren aus der Verbandskasse zu.
Der Entscheid des Verbandsgerichts ist insofern bemerkenswert, als er nicht nur die vom Anzeigeerstatter konkret beanstandete Selektion für die EM-Endurance 2017 als rechtswidrig qualifiziert; darüber hinaus bemängelt das Verbandsgericht generell die Art und Weise, wie im SVPS Selektionsverfahren durchgeführt werden. Durch Kriterien, wie „Teamfähigkeit“, welche der SELKO bei der Selektion einen erheblichen Ermessensspielraum belassen würden, vermöchten die Selektionskriterien und -reglemente, so das Verbandsgericht, keine sachlich nachvollziehbaren Entscheide zu gewährleisten und keinen Schutz gegen unfaire Selektionsentscheide zu bieten. Das Verbandsgericht fordert den SVPS daher auf, seine Reglemente entsprechend anzupassen.
Mit dem Entscheid des Verbandsgerichts findet ein Verfahren seinen Abschluss, in dessen Rahmen der Anzeigeerstatter mehrfach auch staatliche Instanzen anrufen musste; auch hatten sich zunächst sowohl die SAKO als auch das Verbandsgericht geweigert, sich der heiklen Angelegenheit anzunehmen. Erst nach zusätzlichen Interventionen des Anzeigeerstatters erfolgte eine materielle Behandlung der Vorwürfe durch die zuständigen Instanzen. Der Entscheid des Verbandsgerichts ist noch nicht rechtskräftig. Für die Betroffenen gilt deshalb nach wie vor die Unschuldsvermutung.
Mehr zu diesem Entscheid, welcher der Redaktion zur Verfügung gestellt wurde, in der nächsten Ausgabe von „Causa Sport“.