(causasportnews / red. / 13. November 2018) Kaum dreissig Jahre sind vergangen, seit das Sport-Sponsoring eine spezielle Hürde zu nehmen hatte. Gefragt war für Sponsoring-Nehmer (Verbände, Klubs, Individual-Sportlerinnen und –Sportler, Sport-Organisatoren) der „unproblematische“ Sponsor. Als problematisch galt etwa jegliche religiöse oder politische Werbung auf Sportlerbekleidung, auf Sportgeräten oder anlässlich von Sportveranstaltungen. Verpönt war beispielsweise damals Werbung für „Dianetik“ (begründet von L. Ron Hubbard, dem Initianten von Scientology) oder für „Beate Uhse“ (Erotik-Shop-Unternehmung). Heute ist alles anders: Die Moral, deren Massstab sich jeder nach eigenem Gusto zimmern kann, wird in einer ethisch aufgeladenen Welt zwar permanent bemüht, doch die Sitten sind dennoch lockerer und die Anschauungen liberaler geworden. Zwar gibt es ihn zweifelsfrei noch, den „idealen“ Sponsor, doch dieser weist immer mehr theoretische Bedeutung auf. Waren zur Zeit, als Scientology mit Stirnerunzeln begegnet wurde und Beate Uhse auch ausserhalb der betriebenen Shops ein Reizwort darstellte, etwa Banken „unproblematische“ Sponsoren – trotz Nummernkonti, Schwarzgeld-Diskussionen und oft undurchsichtigen Geschäften. „Raiffeisen“ engagierte sich erst richtig im Sport-Sponsoring, seit die Genossenschafts-Kasse den Schritt zur Grossbank vollzogen hatte. Skandale, wie sie seit einiger Zeit bei der Bank manifest wurden, hätten früher zur sponsoringmässigen „No-Go“-Situation geführt. Aber heute ist hic et nunc alles anders – auch bei „Raiffeisen“. Die Bank hat seit geraumer Zeit nicht nur ein Führungsproblem, sondern weist auch ein flächendeckendes, strukturelles Defizit auf. Vom Integritäts-Problem ganz zu schweigen. Seilschaften schanzen sich lukrative Posten zu, Qualifikationen werden bei Personalentscheiden oft gar nicht in die Waagschale geworfen und die Moral bleibt eh auf der Strecke; zumal sich diese nicht an objektiven, normierten Vorgaben misst. Wurde der Geschäftsleitungs-Vorsitzende von Raiffeisen Schweiz in der ersten Jahreshälfte durch die Strafverfolgungsbehörden aus dem wirtschaftlichen Rennen genommen und für mehr als 100 Tage in Untersuchungshaft gesetzt, hat es nun auch den amtierenden CEO, Patrik Gisel, erwischt: Statt um die Bank hat er sich offensichtlich eher um das ganz persönliche Wohl einer bis vor kurzem aktiven Verwaltungsrätin von Raiffeisen gekümmert; ein Beweis dafür, dass die harte Alltagsarbeit in einer Bank wohl nicht auf dieser Ebene geleistet wird. Nicht gerade Sodom und Gomorra bei Raiffeisen zwar – aber immerhin. Als die Affäre aufflog, quittierte der CEO mit Schmetterlingen im Bauch vor einer ausserordentlichen Versammlung der Bank den Dienst. Die Führung der Bank musste eingestehen, dass in diesem Unternehmen Integrität und Good-Governance offensichtlich nach wie vor Fremdwörter sind. Und was hat das alles mit Sponsoring zu tun? Natürlich nichts. Heute scheint es eher von sekundärer Bedeutung zu sein, woher das in den Sport fliessende Geld herkommt. Schliesslich gehört es heute zum guten Ton, Unternehmen durch Führungskräfte auszuplündern zu lassen, und sogar die Schweizer Armee ist zum Selbstbedienungsladen verkommen; Spesenexzesse gehören offensichtlich zur Normalität. Pecunia non olet – einmal mehr also oder immer noch (vgl. auch causasportnews vom 12. März 2018). Immerhin ist die Bank „Raiffeisen“ ein wichtiger Sponsor der höchsten Spielklasse im Schweizer Fussball. „Raiffeisen Super League“, heisst dieser Wettbewerb seit rund sechs Jahren. Auch nach den offensichtlich strafrechtlich relevanten Entgleisungen des ehemaligen Geschäftsleiters und den amourösen Eskapaden des abgetretenen CEO herrscht im Management der Bank weiterhin „courant normal“. Woodstock mit enthemmender Offenheit ist längst Geschichte, Beate Uhse, zwischenzeitlich auch und zudem pleite, und von „Dianetik“ redet heute so oder so niemand mehr. Gut für den Sport. Wäre es nicht so, müsste sich die Swiss Football League (SFL) spätestens jetzt auf die Suche nach einem neuen Titel-Sponsor für die Professional-Liga machen. Noch komfortabler verhält es sich mit der Grossbank „Credit Suisse“. Diese ist nach dem Ablasshandel mit den USA geläutert und ein problemloser Sponsor des Schweizerischen Fussball-Verbandes (SFV) geworden.
Von Scientology über Beate Uhse bis zur Raiffeisen-Bank
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