„Sag’s doch schnell per Telefon“ – oder besser gar nicht?

men-97290_1920 (causasportnews / red. / 15. August 2018) Heute vor einem Monat wurde anlässlich der Fussball-WM-Endrunde Frankreich neuer Weltmeister. Seither wird in verschiedenen andern Ländern wenig über den Sport, umso mehr jedoch um Personen und Köpfe diskutiert, kaum aber über Ursachen zum sportlichen Scheitern.

Zum Beispiel in Deutschland: Noch immer stehen nach der fussballerischen Schmach in Russland Personen, die nicht auf dem oder allenfalls neben dem Rasen standen, im Mittelpunkt, allen voran Bundestrainer Joachim Löw und der Präsident des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), Reinhard Grindel. Letzterer ist vor allem wegen eines Spielers ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, wegen Mesut Özil. Diesbezüglich wird dem ehemaligen Spitzen-Politiker insbesondere kommunikatives Fehlverhalten vorgeworfen. Das „Thema Özil“ hat eine Integrationsdebatte in Deutschland von ungeheurem Ausmass ausgelöst; durchwegs wurde der Begriff „Rassismus“ bemüht, gemeint war aber meistens der Umgang mit Fremden und mit Fremdenfeindlichkeit. Die Diskussion ist zwischenzeitlich abgeflacht. Über das sportliche Scheitern in Russland wird zumindest derzeit nicht gesprochen, deshalb bleibt der Bundestrainer als „Sündenbock“ (im Moment) aussen vor. Der nächste Fixpunkt dürfte der 27. September 2018 sein. An jenem Tag vergibt der Europäische Kontinentalverband (UEFA) die Fussball-Europameisterschaft an…Deutschland oder an die Türkei. Eine pikante Konstellation, und Fussball-Deutschland ist sich einig: Erhält die Türkei den Zuschlag, wird aus Reinhard Grindel, welcher derzeit schweigt, ein Ex-DFB-Präsident.

Oder zum Beispiel in der Schweiz: Auch in diesem Land steht wie etwa in Deutschland nicht die bescheidene Leistung der Schweizer Kicker in Russland im Fokus; eine sportliche Analyse des Sportlichen interessiert offensichtlich kaum. Dafür wird über ausserfussballerische Wichtigkeiten gesprochen: Etwa darüber, wie ein verdienstvoller Nationalmannschafts-Spieler verabschiedet werden soll. Im Rahmen eines Festaktes? Anlässlich eines Abschiedsspiels? Oder durch Ordensverleihung mit Staatsbankett?- Der Schweizer Nationalcoach Vladimir Petkovic hat den Weg gewählt, den die Post einst zum Werbe-Slogan erkoren hatte. „Sag’s doch schnell per Telefon“. So soll sich die Verabschiedung von Valon Behrami zugetragen haben; kurz und knackig, so, wie es die Post früher propagierte. Im Zeitalter, in dem die Hauptbeschäftigung der Menschheit das Telefonieren ist, kam die Vorgehensweise des Nationaltrainers allerdings schlecht an; wahrscheinlich war das Telefonat zu kurz. Der Spieler hat wohl eine andere Kommunikation erwartet; obwohl permanentes Telefonieren heut besonders en vogue ist. Er heulte sich bei den Medien aus. Das war das Signal, um das Kesseltreiben gegen Vladimir Petkovic zu eröffnen. Weil sich der gradlinige Coach nicht mehr zu diesem weltbewegenden Thema äussern wollte, wurde nicht nur in der Boulevardpresse dessen Rücktritt gefordert. Merke, und das sei die Lehre der Geschichte: Was neben dem Fussballfeld inszeniert wird ist heute wichtiger als das auf dem Spielfeld Gezeigte. Gegenüber der Öffentlichkeit schweigt der Nationaltrainer der Schweiz, was natürlich wiederum falsch ist. Was gibt es Schlimmeres für die Medien, die heute zu reinen Interessenträgern verkommen sind, als schweigende Protagonisten? „Sollen wir nur noch schweigen?“, fragte sogar die nicht gerade als aggressiv bekannte „Neue Zürcher Zeitung“ in ihrer gestrigen Ausgabe geradezu weinerlich. Im Schweizerischen Fussball-Verband (SFV) ist es derzeit noch schlimmer: Auch der SFV-Präsident Peter Gilliéron schweigt. Ebenso der Kommunikationschef, dem deswegen Kommunikationsschwäche vorgeworfen wird. Vor einiger Zeit sprach dafür SFV-Generalsekretär Alex Miescher. Er dachte es an sich richtig, verhedderte sich aber beim Thema „Doppelbürger“ im Rahmen eines Interviews. Nach einem medialen Sturm der Entrüstung zog er sich zurück. Als Offizier der Schweizer Luftwaffe wollte er sich den ganzen medialen Tiefflug nicht weiter gefallen lassen und quittierte den Dienst im SFV.

Die Lehre aus der Geschichte: In der heutigen Mediensituation ist Schweigen das probateste Mittel der Öffentlichkeitsarbeit. Ohne Informationen werden die Interessen vertretenden Medien zu Irrläufern und sind bedeutungs- und wirkungslos. Positiv auch für den Steuerzahler: Derartige Medien müssen und dürfen mit staatlichen Mitteln auch nicht mehr gefördert werden. Der ehemalige Post-Slogan hat alles in allem jedenfalls nur zum Teil ausgedient – vielleicht besinnt man sich heute aber mit Vorteil wieder einmal noch weiter zurück: „Si tacuisses, philosophus mansisses“, sagte bereits im 6. Jahrhundert der spätrömische Gelehrte Boëthius.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s