Zweiter Entscheid des Obergerichts Zürich zum Letzigrund-Fackelwerfer

„Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ – so lautet ein von Fussballfans häufig skandierter Spruch. Zwar ist nicht anzunehmen, dass diese dabei die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen (Art. 10 Abs. 2 und 3 StGB) vor Augen haben; ein auf Anweisung des Bundesgerichts ergangenes Urteil des Obergerichts Zürich (Urteil SB140349 vom 31. März 2015) bestätigt indessen nolens volens diese Auffassung.

Anlässlich des Meisterschaftsspiels der Fussball-Super League zwischen dem FC Zürich und dem Grasshopper Club Zürich am 2. Oktober 2011 warf ein Anhänger des FC Zürich eine 1‘500 Grad heisse Seenotfackel in den Sektor der Fans des Grasshopper Clubs. Glücklicherweise wurde dadurch niemand verletzt. Der Täter wurde dennoch wegen Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB) angeklagt.

Am 18. Mai 2012 verurteilte das Bezirksgericht Zürich den Täter unter anderem wegen Gefährdung des Lebens. Das Obergericht Zürich erkannte am 22. April 2013 auf versuchte schwere Körperverletzung (Art. 122 StGB) und hob den Schuldspruch wegen Gefährdung des Lebens auf. Das Bundesgericht wiederum hob dieses Urteil auf; es stellte eine unzulässige reformatio in peius fest (Art. 391 Abs. 2 StPO) und wies das Obergericht an zu prüfen, ob der Schuldspruch des Bezirksgerichts wegen Gefährdung des Lebens zu bestätigen sei oder nicht. Das Obergericht hat nun entschieden, dass der Fackelwurf nicht als Handlung zu qualifizieren sei, mit der Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr gebracht wurden.

Dogmatisch ist dieser Schlussfolgerung zuzustimmen. Nichtsdestotrotz bleibt ein fahler Beigeschmack, hat der Täter doch erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt und schwerste Verletzungen von Personen zumindest in Kauf genommen. Ein Schuldspruch wegen versuchter schwerer Körperverletzung wäre juristisch zweifellos zutreffend gewesen. Lediglich dem Prozessverlauf ist es zuzuschreiben, dass eine Verurteilung wegen dieses Tatbestandes nicht mehr möglich war. Damit hat sich der „Fackelwerfer“ nach Ansicht des Obergerichts im Ergebnis tatsächlich keines Verbrechens (Art. 129 StGB), sondern lediglich eines Vergehens (Art. 123 StGB) schuldig gemacht.

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