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«Causa Luis Rubiales” – mehr als ein Schmetterlingseffekt?

causasportnews / Nr. 1128/04/2024, 7. April 2024

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(causasportnews / red. / 7. April 2024) Der gefallene, ehemalige Präsident des Spanischen Fussballverbandes (RFEF), Luis Rubiales, ist nach dem Mundkuss, den er seiner frischgebackenen Weltmeisterin Jennifer Hermoso anlässlich der Siegerehrung nach dem gewonnenen WM-Finalspiel 2023 (Spanien gewann 1:0 gegen England) verabreicht hat, tief gefallen. So tief, dass ein noch tieferer Fall nicht mehr für möglich gehalten werden könnte. Doch im schon an sich heissen «#MeeToo-Fegefeuer», das der Funktionär seit Monaten ertragen muss, wird immer wieder ein Brikett mehr aufgelegt. Soeben ist der 46jährige Ex-Fussball-Funktionär auf dem Madrider Flughafen verhaftet und in Polizeigewahrsam genommen worden. Grund für den wohl temporären Freiheitsentzug ist aber nicht (primär) der Kuss-Skandal, sondern es sind angeblich Unregelmässigkeiten in Verträgen, die der ehemalige Fussball-Präsident zumindest mitzuverantworten hat, die zur Polizeiaktion geführt haben. Die Rede ist u.a. von Korruption und Geldwäscherei. Ob die Verhaftung von Luis Rubiales auch im Zusammenhang mit dem verhängnisvollen Kuss in Australien zu sehen ist, scheint unklar, ist aber wohl nicht ausgeschlossen. Apropos Kuss: Nach wie vor ungeklärt ist der Umstand, ob erstens der Kuss einvernehmlich (zwischen dem damaligen Präsidenten Luis Rubiales und der Spielerin Jennifer Hermoso) erfolgte, und zweitens, ob die Weltmeisterin vom küssenden Ex-Funktionär und Personen aus seinem Umfeld dazu gedrängt oder genötigt wurde, den Kuss als einvernehmlich erfolgt darzustellen. Wie dem auch sei: Auch wenn der Kuss von Sydney vom 20. August 2023, sollte er nicht einvernehmlich erfolgt sein, durch nichts zu rechtfertigen ist, sind die Folgen für den ehemaligen Verbandspräsidenten vernichtend hart (er ist vom Weltfussballverband FIFA gesperrt worden, Strafverfahren sind hängig), weshalb nun doch die Frage der Verhältnismässigkeit bezüglich der erfolgten und noch zu erwartenden Sanktionen und Bestrafungen zu stellen ist. Auch in dieser «Causa Luis Rubiales» wird jedenfalls die berühmte «Schmetterlingstheorie» zum Thema. Diese besagt: Bewegt ein Schmetterling seine Flügel, kann dadurch letztlich ein Tornado ausgelöst werden. Die andauernden Reaktionen nach dem Kuss von Sydney lassen jedenfalls einen Schmetterlingseffekt erkennen. Subjektiv bedeutet die aktuelle Situation für Luis Rubiales denn auch wohl mehr als «nur» ein Tornado, eher eine individualisierte Apokalypse mit total vernichtender Wirkung.

Ein Kuss bestätigt die «Schmetterlingstheorie»

causasportnews / Nr. 1057/09/2023, 11. September 2023

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(causasportnews / red. / 11. September 2023) Kann ein Flügelschlag eines Schmetterlings einen Tornado auslösen? Ja, so ist es, wenn man der berühmten «Schmetterlingstheorie» Glauben schenken will. Kann aber auch ein Kuss einen Glaubenskrieg entfesseln oder gängige Moralvorstellungen und Weltanschauungen in einem bedeutenden Fussball-Land zumindest ins Wanken bringen? Oder eine Nation sogar spalten? – Auch das ist wohl nach dieser Theorie möglich.

Er wird wohl zum «Kuss des Jahres», den der Präsident des Spanischen Fussballverbandes (RFEF) «seiner» siegreichen Spielern Jennifer Hermoso am 20. August 2023 nach dem Finalsieg der Spanierinnen zumindest ungestüm appliziert hat. Auf den Mund, ohne jegliches Einverständnis seitens der Spielerin und ohne jeglichen Rechtfertigungsgrund. Seither ist nicht nur die globale Fussballwelt aufgewühlt. Es ist klar, dass so etwas nicht geht. Doch ist, bzw. war der Vorgang dazu angetan, Luis Rubiales abzuschiessen? Es haben sich zwischenzeitlich zwei Lager formiert: Die Gegner der Aktion des Verbandspräsidenten, die seinen Kopf fordern; und die Verfechter der Verhältnismässigkeit, welche sich im für den Präsidenten schlechtesten Fall für eine angemessene, sprich milde Sanktionierung für die «Kuss-Attacke» stark mach(t)en. Praktisch die ganze Weltöffentlichkeit fühlt sich seit dem Spanierinnen-Sieg in Australien berufen, sich hier einzubringen. Der Welt-Fussballverband FIFA hat den 46jährigen Spanier auf Druck schon einmal von der Ausübung seiner Funktionärs-Aktivitäten suspendiert. Offenbar nicht ganz freiwillig hat die beküsste Spielerin kürzlich den in ihren Augen übergriffigen Funktionär angezeigt und damit die strafrechtliche Ebene beschritten. Video-Bilder zeigen allerdings, dass sich Jennifer Hermoso nach dem emotionalen Ausbruch von Luis Rubiales nach dem Finalspiel in Sydney nicht wahnsinnig über den präsidialen Kuss echauffiert hatte. Die zuständige oder nicht zuständige Staatsanwaltschaft in Spanien («Tatort» war Australien) ermittelt nun wegen des möglichen, teils behaupteten sexuellen Übergriffs. Die Kernfrage wird sein: War der Kuss sexuell und/oder macho-mässig und/oder rein emotional motiviert? Nun hat sich die Situation im Hauptpunkt geklärt. Verbandspräsident Luis Rubiales ist per sofort zurückgetreten, auch als Vize-Präsident des Kontinentalverbandes UEFA. Der Druck auf ihn, der sich auch starrsinnig und uneinsichtig zeigte, wurde zu gross. Die «Kuss-Attacke» von Sydney, die sich zum Tornado entwickelte, hat sich «Schmetterling-theoretisch» bestätigt.

Die «Causa Rubiales (Täter) / Hermoso (Opfer)» hatte die individuell-konkrete Sphäre des Geschehens längst verlassen. Der Vorgang wies immer mehr generell-abstrakte Züge auf. Je länger die Affäre andauerte, desto vordergründiger stand die Frage im Raum, ob Spanien grundsätzlich ein Macho-Land sei. Zudem, ob in der Fussball-Welt, in dem sich z.B. Funktionäre (vor allem gegenüber Frauen) offenbar alles (oder einiges) erlauben dürfen, die Machokultur gesellschaftlich prävaliert. Wie verhält es sich zudem mit dem Status der (vermeintlich?) emanzipierten, spanischen Gesellschaft? Die Grundsatzfrage, die auch nach dem Rücktritt des Verbandspräsidenten weiterhin im Raum stehen wird, lautet schlicht: Wie weit dürfen Spaniens Machos gehen? In dem erfolgsverwöhnten Fussball-Land werden die Verhaltens-Massstäbe in derartigen Dingen wohl immer noch etwas salopper angelegt als anderswo. Der «Fall Luis Rubiales» ist zwar nun in einer ersten Phase abgeschlossen. Der entfesselte Tornado hat dem Präsidenten keine andere Wahl mehr gelassen, als zurückzutreten. Von Tornados ereilt werden nicht immer die «Richtigen»; sie sind immer «ungerecht». Es wird sich weisen, ob es in dieser Angelegenheit zu einer strafrechtlichen Verurteilung kommen wird. Falls nicht, wird die Diskussion wohl endlos weitergeführt werden (müssen). Der Umstand, dass sich der Verbandspräsident anlässlich des Finalspiels in Sydney auch noch in den Schritt gegriffen hatte, dürfte bei der Beurteilung des Verschuldens, der Vorwerfbarkeit, nicht allzu schwer wiegen; so etwas (mit zusätzlicher «Geruchskontrolle») hatte der damalige Deutsche Bundestrainer Joachim Löw 2016 schliesslich auch unbeschadet überstanden (wenn auch die Intuitionen der beiden Funktionäre bei ihren Aktionen offensichtlich nicht dieselben waren).