Schlagwort-Archive: FIFA World Cup 2034

WM-«Vergabe» 2034 an Saudi-Arabien auch «dank» einer Verletzung des vereinsrechtlichen Gewaltenteilungs-Grundsatzes

causasportnews / 1211/12/2024, 15. Dezember 2024

Die Garanten für Ethik im Weltsport, aufgenommen anlässlich der WM-Endrunde 2028 in Russland,
von links: Kronprinz Mohammed bin Salman (Saudi Arabien), Gianni Infantino ( FIFA-Präsident) und
Wladimir Putin (Russland). (aus dem „Tages-Anzeiger“ vom 12. Dezember 2024 /AFP).

(causasportnews / red. / 15. Dezember 2024) Der Internationale Fussball-Verband (FIFA), ein Verein nach Schweizer Recht (Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches) mit Sitz in Zürich, ist immer für Überraschungen gut. Wichtig ist ihm jedoch vor allem ein durchwegs einwandfreies ethisches Verhalten, das sich in verschiedenster Weise manifestiert. Dabei zeigt es sich am Beispiel der FIFA, dass die Moral Werte und Regeln verkörpert, die von Personen oder Personengruppen als anerkannt gelten. Es geht also nicht um Rechtsnormen oder vorgegebene, objektive Massstäbe, an denen ein Verhalten in ethischer Hinsicht gemessen werden kann. Verstösse gegen anerkannte Werte und Regeln können allenfalls als verpönt gelten. In Vereinen und Verbänden lassen sich sowohl die Tatbestände unethischen Verhaltens und die Folgen von Ethikverstössen im Rahmen von Vereins- und Verbandsordnungen normieren und auch vereinsrechtlich sanktionieren.

Das war die Ausgangslage für die Behandlung der generellen Ethikthematik im internationalen Fussball, die noch in der «Ära Sepp Blatter» Fahrt aufnahm. Es ging nicht mehr anders. Innerhalb und ausserhalb der FIFA reihte sich Skandal an Skandal, es wurde Nepotismus betrieben und auch das hässliche Wort «Bestechung» grassierte immer mehr (wie sagte es jener Fussball-Funktionär so schön, als er anlässlich einer Befragung mit Bestechungsvorwürfen konfrontiert, wurde: «Bestechung», welch’ hässliches Wort. Haben wir doch einfach ein wenig Geld genommen». Kodifizierte Moral war das «Credo» nicht nur bei der Schaffung einer Ethiknormierung im Weltfussball; entscheidend war auch die Regelung der Rechtsfolgen bei Ethikverstössen durch Vereins-Sanktionen. Auch in der FIFA ist die einschneidendste Folge bei nachgewiesenem, unethischem Verhalten z.B. eines Fussball-Funktionärs, der Ausschluss (Art. 72 ZGB). Das Gesetz und konkret insbesondere das Vereinsrecht bilden Grundlagen für ethisches Verhalten für die Protagonisten des Fussballs. Ethisch motiviertes Verhalten gibt teils die Verbandsordnung selber vor. Im Rahmen der FIFA geschah dies so:

Die Vergabe des «Filetstücks» der FIFA, die WM-Endrunde der Männer (sorry, liebe Frauen, es interessieren sich noch immer mehr Menschen für den Männer- als den Frauenfussball) erfolgte über Jahre im Rahmen der Verbandsorganisation der FIFA durch die Exekutive (damals das Exekutivkomitee). Dadurch, dass ca. 20 Personen das wichtigste Turnier der Welt vergaben, wurde dieses übersichtliche Gremium immer manipulations- oder, um das unschöne Wort zu gebrauchen: korruptions-anfälliger. Mit den FIFA-Reformen, welche das ethisch einwandfreie Verhalten aller Protagonisten auch in WM-Endrunden-Vergaben garantieren sollten, wurde das Vergabe-Prozedere «moral»-sicher gemacht. So kam es, dass die Mitglieder der FIFA, die nationalen Verbände (derzeit 211) zum Vergabe-Körper mutierten. Seit kurzer Zeit erfolgen die WM-Vergaben durch das FIFA-Parlament «Kongress» (Legislative). Die Grund-Idee war: 211 nationale Verbände (zudem juristische Personen) sind schwieriger zu beeinflussen oder zu bestechen als 20 Exekutivkomitee-Mitglieder. Lief deshalb die Vergabe der WM-Endrunde 2034 an Saudi-Arabien derart glatt durch, obwohl eigentlich kaum ein rational denkender Mensch dies gut und moralisch (!) vertretbar qualifizieren kann? Es waren selbstverständlich verschiedene Faktoren, welche zu diesem Rückschritt ins unmoralische Vergabe-Zeitalter der FIFA ermöglichten. Der FIFA-Präsident, der höchste Exekutiv-Repräsentant der FIFA, ist ein gewaltiger Strippenzieher und im Rahmen des trägen, unengagierten Weltverbandes so etwas wie der Einäugige unter Blinden. Die Vergabe an Saudi-Arabien wurde behutsam und kontinuierlich vorbereitet und nicht nur ein Terrain hierfür geglättet. Selbstverständlich gab letztlich das Geld den Ausschlag für dieses Vergabe-Resultat. Davon gibt es in Saudi-Arabien bekanntlich nicht zu wenig. Für die Nationalverbände ist es entscheidend, dass sie mit den generierten WM-Geldern die Taschen immer praller füllen können. Sollen sich die Schweiz (SFV) oder Deutschland (DFB) also aus moralischen Gründen in die Opposition begeben und zumindest ihren Goodwill, der – menschlich fast verständlich – auch pekuniär-negative Folgen zeitigen könnte, beim Verband-Präsidenten verspielen? Hinzu kam, dass es der FIFA-Präsident durchdrückte, den FIFA-Kongress vom 11. Dezember 2024 online abzuhalten (so wurden auch Überraschungen verhindert, anders, wenn eine Vereinsversammlung mit physischer Präsenz der Versammlungs-Teilnehmer abgehalten worden wäre.

Als Saudi-Arabien in einer online-Abstimmung also den WM-Endrunden-Zuschlag für 2034 erhielt, war dies kein «Putsch» gegen die FIFA-Ordnung; am 11. Dezember 2024 wurde lediglich die normierte «Gewaltenteilung» (mit WM-Vergabeordnung) im Verband faktisch ausser Kraft gesetzt, im konkreten Fall der Kongress als Entscheidungs-Instanz ausgebootet und der Zustand vor den FIFA-Reformen wiederhergestellt. Wenn das Faktum die Norm ausser Kraft setzt, ist dies in der Regel allerdings moralisch höchst bedenklich. Der virtuelle FIFA-Kongress (Vereinsversammlung) vom 11. Dezember 2024 bestätigt allerdings wieder einmal den legendären Bertold Brecht (1898 – 1956): «Zuerst kommt das Fressen, dann kommt die Moral».