«Kuss-Skandal»: Nun das Schweigen der (Un-)Schulds-Lämmer

causasportnewes / Nr. 1054/08/2023, 31. August 2023

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(causasportnews / red. / 31. August 2023) Und plötzlich herrscht Schweigen im grossen «Kuss-Skandal», das einzige Thema, das nach und von der Frauen-Fussball-Weltmeisterschaft von diesem Turnier übrigblieb (vgl. zuletzt causasportnews vom 28. August 2023). Was ist geschehen? causasportnews zieht nach dem Vorfall anlässlich der Pokalübergabe in Sydney, als Spaniens Verbandspräsident Luis Rubiales am 20. August die Spielerin der Weltmeisterinnen-Equipe, Jennifer Hermoso, auf den Mund küsste, zum Monatsende eine Zwischenbilanz.

Dabei ist generell festzuhalten, dass das, was sich in der Öffentlichkeit oder auch nicht abspielt oder nicht, in der Regel unter ethischen oder juristischen Gesichtspunkten beurteilt wird, falls die Empörungs- und Betroffenheitsgesellschaft tangiert wird oder sich berühren lässt. Die Grenzen sind diesbezüglich fliessend. Die Moralkeule zu schwingen oder juristisch zu urteilen, auch über Sachverhalte, die nicht erstellt sind, ist en vogue; die konventionellen Medien, oder was von ihnen übriggeblieben ist, haben die Rolle des früheren Wirtshaus-Stammtisches übernommen. Dafür garantieren die sog. «neuen Medien» einen modernen und adäquaten Lebensstandrad und viel mehr Lebensqualität. Ein sich in der Öffentlichkeit bewegender Mensch zumindest ohne Handy am Ohr oder in der Hand ist ein Aussenseiter.

So kam es, dass die Kuss-Attacke des Verbandspräsidenten die Massen geradezu elektrisierte, und die Medien den Shitstorm, der sich über Luis Rubiales zu entladen begann, willfährig befeuerten. Der Mob rief zur Kreuzigung des Bösewichtes auf, und die verluderte Medienmeute hechelte im Gleichschritt hinterher. Diese Form von Sexismus geht nicht, befanden alle zur Meinungsäusserung berufenen Menschen guten Willens und Verfechter von Tugend und Moral: Das Publikum, die Medien, Sportfunktionäre, Interessenorganisationen aller Art, Regierungsmitglieder, die Vereinten Nationen, usw.; der Weltfussballverband FIFA als oberste moralische und juristische Instanz des globalen Fussballs machte, wie immer, wenn mit dem Strom geschwommen werden soll, gleich Nägel mit Köpfen und sperrte den obersten Missetäter des Spanischen Fussballs gleich für drei Monate. Dumm nur für (fast) alle, dass zwischenzeitlich sogar mit den Gralshütern der menschlichen Moral Zweifel am bereits final beurteilten Tatbestand aufgekommen sein mögen. Weshalb sonst herrscht in der «Causa Rubiales / Hermoso» plötzlich rundherum Schweigen? Dieses dürfte wohl nicht einfach die Folge des Hungerstreiks der Mutter von Luis Rubiales sein, die sich mit dieser Aktion gegen die globale Hetze gegen ihren Sohn protestiert hat und sich zwischenzeitlich in Spitalpflege befindet.

Dummerweise für die Treiberinnen und Treiber dieser aktuellen Hatz zirkuliert ein Video im Netzt, das den Vorwurf der sexistischen Handlung anlässlich der Kuss-Attacke in Sydney ins Wanken bringt. Obwohl sie permanent von allen Seiten bearbeitet wird, hat sich die Kuss-geschädigte Spielerin geweigert, den Verbandspräsidenten explizit des Sexismus zu bezichtigen. Vielleicht war die zweifelsfrei nicht zu beschönigende Kuss-Attacke eher emotional denn sexistisch motiviert? On verra. Ist ja auch nicht so schlimm, wenn sich dieser Skandal letztlich als Mini-Skandal erweisen sollte. Was kümmern die Meute und die Medien schliesslich Individual-Schicksale? Die gab es schliesslich nicht nur im digitalen Zeitalter. Unschuldige wurden immer wieder verurteilt und die Affaire Alfred Dreyfus wurde ebenso überstanden. Die Geschichte wiederholt sich stets, und nach wie vor lautetet eine Maxime auch unserer heutigen Gesellschaft: «Lob der Schuldigen, Tadel der Unschuldigen». Wie die der Vorgang um Luis Rubiales einmal in diesen Kontext einzuordnen sein wird, dürfte sich bald weisen.