Archiv für den Monat Oktober 2015

Sponsoren zahlen und fordern

ImAdidas Brazuca World Cup 2014 Football, The Official Matchball Zuge des sog. „FIFA-Skandals“ haben sich nun auch einige FIFA-Sponsoren (Coca-Cola, McDonald’s, Anheuser-Busch, Visa) zu Worte gemeldet und den Rücktritt des FIFA-Präsidenten Joseph Blatter gefordert. Die Unternehmen sorgen sich allerdings nicht um ihren, sondern um den Ruf des Weltfussballverbandes, wie den Verlautbarungen der Sponsoren zu entnehmen ist. Die Forderungen der Sponsoren nach einem Rücktritt des FIFA-Präsidenten lässt einige Schlüsse zu: Weil es sich ausschliesslich um amerikanische Sponsoren handelt und die amerikanische Justiz daran ist, die FIFA in den Dunstkreis krimineller Organisationen zu rücken, kommt die Forderung der amerikanischen Sponsoren gegenüber der FIFA nicht überraschend. Sponsoren lassen sich nicht gerne in einem negativen Umfeld sehen (so etwa die immer wieder geführte Diskussion im Zusammenhang mit Sponsoring bezüglich des dopinganfälligen Radsports). Doch die Forderung seitens der US-Sponsoren wird allerdings nicht mit dieser Zielrichtung begründet: Man sorgt sich um den Ruf des Verbandes. Sinnigerweise bleiben Rücktrittsforderungen seitens anderer (nicht-amerikanischer) Sponsoren (derzeit) aus. Der langjährige Supporter „adidas“ beispielsweise will sich nicht der amerikanischen Forderung anschliessen, sondern verlangt lediglich dezidiert Reformen im Rahmen des Weltfussballverbandes. Die Forderung der US-Sponsoren ist zweifelsfrei politisch motiviert und ist im Gesamtzusammenhang mit den Attacken der US-Justiz gegen die FIFA zu sehen. Dass heute Sponsoren bestrebt sind, nicht nur zu zahlen und zu schweigen, sondern sich auch ganzheitlich einzubringen bestrebt sind, belegt auch ein Beispiel aus Deutschland: So hat der Hauptsponsor des Vereins Hansa Rostock („Kurzurlaub.de“) kürzlich auf die an sich ihm zustehende Werbefläche auf den Spieler-Trikots verzichtet. Der Grund dafür lag in Gewaltausbrüchen unter Fans sowie die Verwendung pyrotechnischen Materials im Zusammenhang mit einer Begegnung zwischen Hansa Rostock und dem 1. FC Magdeburg. Solche Vorkommnisse im Rahmen eines Fussballspiels seien unakzeptabel und würden auch vom Sponsor nicht hingenommen, äusserte sich „Kurzurlaub.de“. Mit dieser Massnahme (und auch nach den Forderungen der FIFA-Sponsoren) ist offenkundig geworden, dass künftig vermehrt mit Interventionen von Sponsoren im Sport zu rechnen ist, wenn der Sport oder sein Umfeld Negativ-Seiten zeigen. Ob auch eine umgekehrte Entwicklung Realität werden könnte, ist im Moment nicht abzusehen. Es ist jedoch kaum damit zu rechnen, dass z.B. Sportklubs in Zukunft aufbegehren werden, wenn Sponsoren ethisch fragwürdig handeln, so etwa der VfL Wolfsburg gegenüber dem Sponsor „VW“; der Fussball-Bundesligaverein wird sich kaum dazu entschliessen, die Trikotwerbung für den unter Manipulationsverdacht geratenen Autokonzern einzustellen.

„Pechstein“ ist kein „neuer Bosman“

clause-271038_640Die in der „Causa Pechstein“ zuletzt ergangenen Urteile deutscher Gerichte haben im Sport einige Unruhe und in der Sportrechtsliteratur einen veritablen „Sturm im Blätterwald“ ausgelöst. Die überwiegenden Reaktionen, vor allem diejenigen im unmittelbaren Anschluss an die betreffenden Urteile, waren von Befürchtungen dominiert, die „Causa Pechstein“ könnte das Ende der Sportschiedsgerichtsbarkeit – oder zumindest des „Schiedszwangs“ im Sport bedeuten. Rasch machte das Wort vom „zweiten Bosman-Fall“ die Runde. Nach der Bosman-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vor fast genau 20 Jahren waren die Transfersysteme der Fussballverbände kollabiert.

Besonnenere Stimmen sehen die Situation indessen deutlich weniger skeptisch. So jüngst insbesondere etwa die Sportrechtler Urs Scherrer, Remus Muresan und Kai Ludwig, die in einem Beitrag in der Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ; 2015, S. 161 ff.) zum Schluss kommen, dass der Schadenersatzklage-Fall von Claudia Pechstein hinsichtlich seiner (potenziellen) Auswirkungen mit dem „Bosman-Fall“ nicht zu vergleichen sei. Insbesondere bedeuteten die – vom Münchner Landgericht und vom Münchner Oberlandesgericht gefällten – Urteile nicht das Ende der Sportgerichtsbarkeit.

Die deutsche Eisschnellläuferin Claudia Pechstein kämpft nach einer – ihrer Meinung nach ungerechtfertigten – Dopingsanktion seit Jahren um ihre Rehabilitation. Sie fordert nun auf dem Gerichtsweg von den involvierten Sportverbänden Schadenersatz in Millionenhöhe und hat beim Landgericht München eine entsprechende Klage gegen die Deutsche Eisschnelllauf-Gesellschaft (DESG) und die International Skating Union (ISU) eingereicht. In der Sache selbst ist zwar noch nichts entschieden, doch haben sowohl das Münchner Landgericht als auch das – als Berufungsinstanz angerufene – Münchner Oberlandesgericht festgestellt, dass sie als staatliche Gerichte durchaus zuständig seien, die Streitsache zu beurteilen. Dies, obwohl die betroffene Athletin eine Schiedsklausel zugunsten des Sportschiedsgerichts CAS unterschrieben hatte. Die beiden Gerichte folgten der Auffassung Pechsteins, dass der „Schiedszwang“ im Sport aufgrund der Ausgestaltung des CAS und der entsprechenden Verfahren rechtswidrig sei. Das Verfahren – und mithin die Zuständigkeitsfrage – liegt nun beim deutschen Bundesgerichtshof (BGH). Nach dessen Urteil, das in Bälde erwartet wird, könnte die Sport(rechts)welt freilich schon wieder ganz anders aussehen.