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Verfahrenseinstellung statt «Freispruch» im Fall Mathias Flückiger

causasportnews / 1195/10/2024, 29. Oktober 2024

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(causasportnews/red. – rb.err./ 29. Oktober 2024) Der Schweizer Weltklasse-Mountainbiker Mathias Flückiger wurde, nach einer mehr als zweijährigen Odyssee (siehe causasportnews vom 23. August 2022; causasportnews vom 17. September 2022; causasportnews vom 26. Dezember 2022; causasportnews vom 6. Mai 2024) vom Vorwurf des Dopings «freigesprochen»: So berichteten unlängst die Medien, nachdem nach Swiss Sport Integrity (SSI) im August 2024 nun auch die Welt-Antidoping-Agentur WADA und der internationale Radsportverband UCI auf eine Anfechtung des Entscheids der Disziplinarkammer des Schweizer Sports (DK; heute: Schweizer Sportgericht) vom 24. Mai 2024/15. Juli 2024 beim Internationalen Sportschiedsgerichtshof CAS in Lausanne verzichtet hatten. Damit ist nun das Verdikt der DK zur «Causa Flückiger» rechtskräftig und endgültig.

Was allenthalben als «Freispruch» betitelt wurde, dürfte in Tat und Wahrheit – in strafprozessualen Begriffen gesprochen – aber eher eine Einstellung des Verfahrens sein. Die DK begründete ihren Entscheid nämlich im Wesentlichen damit, dass die Mathias Flückiger am 5. Juni 2022 anlässlich der Schweizer Meisterschaften in Leysin entnommene Urinprobe nicht verwertbar sei. Sowohl bei deren Entnahme als auch bei der anschliessenden Lagerung sei es zu Unregelmässigkeiten gekommen, was als grobe Verfahrensunregelmässigkeit zu qualifizieren sei und damit zur Nicht-Verwertbarkeit der Probe führe. Zudem habe SSI im Resultatmanagementprozess weitere Fehler begangen, so beispielsweise, indem SSI den Athleten vor Verhängung der provisorischen Sperre gegen ihn (18. August 2022) nicht angehört und keine Erklärung von ihm eingeholt habe.

Rechtlich von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zwei Dokumente der WADA: Die „Stakeholder Notice regarding potential meat contamination cases“ (Stakeholder Notice) und der „International Standard Testing and Investigations“ (ISTI).

Die Stakeholder Notice gelangt immer dann zur Anwendung, wenn ein Fall potenzieller Kontamination durch verunreinigtes Fleisch vorliegen könnte. Das ist namentlich der Fall, wenn in einer Probe Zeranol (ein synthetisches, nichtsteroides Östrogen) in einer Konzentration von unter 5 ng/mL gefunden wird. Dann liegt zunächst nur ein sog. „Atypical Finding“ (atypisches Resultat) und noch kein „Adverse Analytical Finding“ (positives Resultat) vor. In einem solchen Fall schreibt die Stakeholder Notice vor, dass der betroffene Athlet zuerst angehört und eine Erklärung von ihm eingeholt werden muss, ob er vor der Probeentnahme Fleisch konsumiert hat und falls ja, woher es stammt. Das wurde bei Mathias Flückiger seitens SSI offenbar unterlassen. Der ISTI regelt sodann die sog. Chain of Custody, die definiert ist als die Abfolge der Personen oder Organisationen, die für die Aufbewahrung einer Probe von der Bereitstellung der Probe bis zur Lieferung der Probe an das Labor zur Analyse verantwortlich sind. Im Fall von Mathias Flückiger war es anscheinend so, dass die ihm am 5. Juni 2022 entnommene Urinprobe mehrere Tage unterwegs war (angeblich u.a. zuhause im Kühlschrank des Dopingkontrolleurs, der die Probe entnommen hatte), bis sie im nur ca. 45 Minuten entfernten Analyselabor in Lausanne eintraf. Aus Sicht der DK war die Chain of Custody somit unvollständig, was zur Unverwertbarkeit der Probe führte.

Soweit aus öffentlich zugänglichen Quellen ersichtlich, hat die DK im Ergebnis also gar nicht geprüft, ob die von Mathias Flückiger abgegebene Probe Zeranol enthielt und ob dies als Verstoss gegen Anti-Doping-Regeln zu qualifizieren sei. Die DK hat die betreffende Probe vielmehr als nicht verwertbar erklärt und erkannt, dass SSI die ihr durch die Stakeholder Notice vorgegebenen Pflichten nicht beachtet hat. Damit wurde der Sportler, bei genauer Betrachtung, durch die DK nicht vom Dopingvorwurf „freigesprochen“, sondern das gegen ihn eingeleitete Verfahren eingestellt. Im Ergebnis macht dies freilich keinen Unterschied, weil im einen wie im anderen Fall nun rechtskräftig festgestellt ist, dass Mathias Flückiger keinen Dopingverstoss begangen hat. Es ist den zuständigen Organisationen, allen voran SSI, auch verwehrt, aufgrund der Probe vom 5. Juni 2022 weitere Verfahren gegen Mathias Flückiger einzuleiten, da es sich diesbezüglich um eine abgeurteilte Sache (res iudicata) handelt. Insofern ist Mathias Flückiger juristisch nun endgültig rehabilitiert.