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Schockierendes, Tragisches und Ungeklärtes

causasportnews / Nr. 1110/02/2024, 16. Februar 2024

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(causasportnews / red. / 16. Februar 2024) Nicht nur die Leichtathletik-Welt ist geschockt: In der Nacht auf den 12. Februar 2024 verstarb im Alter von erst 24 Jahren der Marathon-Weltrekordhalter Kelvin Kiptum. Der Kenianer kam bei einem Autounfall ums Leben. Vor ein paar Monaten stellte der begnadete Langstreckenläufer anlässlich des Chicago-Marathons am 8. Oktober 2023 mit 2:00:35 einen Fabel-Weltrekord auf. Nun ist der Kenianer mit noch Lauf-Potential ohne Ende tragisch von dieser Welt geschieden. Sein Ableben löste in Kenia eine Staatstrauer aus, nachdem sich die Todesnachricht in Windeseile verbreitete. Der Marathon-Weltrekordhalter sass selber am Steuer seines Autos mit dem Kelvin Kiptum mit einem Baum kollidierte. Der Trainer des Weltrekordhalters, Gervais Hakizimana, der mit Kelvin Kiptum im Auto sass, verstarb mit seinem Schützling. Eine weitere Person wurde schwer verletzt.

Nur zwei Tage später wurde eines Radstars gedacht, der vor genau zwanzig Jahren starb: Marco Pantani. Die Leiche des 34jährigen Italieners wurde am 14. Februar 2004 in einem Hotel in Rimini gefunden. Um den Tod des Ausnahmeathleten, den sie nicht nur in Italien den «Piraten» nannten, entbrannten Diskussionen, und es wurden Mutmassungen und Spekulationen zuhauf angestellt. Das tragische Ende des Giro-Siegers und Dominators der Tour de France, der die härtesten Radrennen der Welt im gleichen Jahr, 1998, gewann, war gemäss offizieller Version auf Drogen- und Medikamenten-Konsum zurückzuführen. Dies ist eine Version für die Ursache des Ablebens von Marco Pantani, der die Berge so rasch und mit Leichtigkeit mit seinem Rad zu erklimmen pflegte wie zu seiner Zeit kaum ein anderer Pedaleur. Vor allem seine Mutter glaubt nicht daran, auch nicht an die Theorie, ihr Sohn habe seinem Leben mit Drogen und Medikamenten selber ein Ende gesetzt. Suizid sei für ihren Sohn nie eine Variante gewesen, um aus dem Leben zu scheiden, hält Tonina Pantani bis heute fest. Sie glaubt vielmehr, der tragische Tod ihres Sohnes sei ein eiskalter Mord gewesen. Die Mafia habe ihre schmutzigen Hände im Spiel gehabt. Ungeklärtes und Unerklärliches trug sich in der Tat im Jahr 1999 zu, als der überlegene Bergkletterer Marco Pantani in einer verwegenen Fahrt in der Endphase der Italien-Rundfahrt die Führung im Giro übernommen hatte. Dann wurde er zur Dopingprobe aufgeboten, die einen zu hohen Blutwert ergab. Zum eigenen Schutz wurde Marco Pantani sodann umgehend gesperrt und musste den Giro gleichsam durch die Hintertür, niedergeschlagen und gedemütigt, verlassen. Weil sein Arzt am Tage zuvor beim Athleten noch normale Blutwerte festgestellt hatte, macht die Theorie auch heute noch die Runde, die Camorra habe im Wett-Geschäft Millionen gegen einen Sieg von Marco Pantani gesetzt, der deshalb auf diese Weise aus dem Rennen eliminiert wurde. Wie die anderen, genannten Todesursachen lässt sich auch eine aufgestellte Mord-Theorie bis heute nicht beweisen. Nachvollziehbar ist die These, der Fahrer habe die Demütigung des Ausschlusses aus dem Giro zufolge des festgestellten Dopingwertes nie verwunden und sei in Depression verfallen. Es könnte durchaus sein, dass Medikamente gegen Depressionen und der gleichzeitige Drogenkonsum zum Tod des «Piraten» im Hotelzimmer in Rimini geführt hat. Die Todesursache wird wohl nie schlüssig geklärt werden können. Sicher ist, dass der temporäre Held des italienischen Sportes, Marco Pantani, einen einsamen Tod starb und so ein verrücktes Leben im gleissenden Scheinwerferlicht des Sportes auf tragische Weise zu Ende ging.

11 000 Marathon-Betrüger und noch mehr Zeitungsenten

causasportnews / Nr. 1063/09/2023, 25. September 2023

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(causasportnews / red. / 25. September 2023) Am 27. August wurde der diesjährige, legendäre Mexiko-Marathon ausgetragen. Rund 32 000 Läuferinnen und Läufer nahmen gemäss offiziellen oder offiziösen Angaben an diesem Lauf teil. Die traditionelle Veranstaltung hatte es besonders diesmal in sich: Der Laufwettbewerb sorgte nicht etwa wegen des Siegers für Schlagzeilen, sondern, weil mehr als ein Drittel der Teilnehmenden (11 000) betrogen haben soll. Da ein Marathon-Lauf von über 42 Kilometern nicht nichts ist, sollen 11 000 der 32 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgekürzt unterwegs gewesen sein. Die Folge sei die Disqualifikation von demnach mehr als einem Drittel des Startfeldes gewesen – so vermeldeten es die Medien rund um den Globus, nachdem die grösste spanische Sportzeitung «Marca» diesen «Primeur» (in der Mediensprache auch «Scoop», Exklusivmeldung, genannt; eine Veröffentlichung, die von einem Medium zuerst und erstmals aufgegriffen worden ist) vermeldet hatte. Die Marathon-Geschichte von Mexiko verursache auf der ganzen Welt Kopfschütteln, Konsternation und Ungläubigkeit. Seit Kurzem ist es allerdings klar: Die Geschichte aus Mexiko war nichts anderes als ein «Fake» (gemäss Donald Trump kultiviert). Der reale Sachverhalt wurde klar, nachdem sich die Organisatoren des Marathons nach der Veröffentlichung der originären Zeitungsente auf allen Kontinenten verpflichtet sahen, den wahren Sachverhalt abzuklären und entsprechend zu kommunizieren. Dieser ergab, dass es beim Lauf zwar Streckenbetrügereien gab, diese sich allerdings im Quantitativen im üblichen Rahmen bewegten (was dennoch erschreckend ist). Nach eingehenden Abklärungen wurde klar, dass der kursierende Zahlensalat rund um diese Sportveranstaltung nicht nur die vermeldete Betrügerquote betraf: So stimmte die anfangs verbreitete Meldung nicht, es hätten am Marathon 32 000 Läuferinnen und Läufer teilgenommen; angemeldet hatten sich exakt 28 410 Personen, und am Start fanden sich 25 517 Athletinnen und Athleten ein. Ins Ziel kamen 21 504 Läuferinnen und Läufer; 1807 Teilnehmende hatten geschummelt, also die Laufstrecke abgekürzt (Quelle u.a.: Sonntags-Zeitung Zürich vom 17. September 2023 – das Zahlenmaterial muss als ungesichert qualifiziert werden). Aber, ob 11 000 am Marathon betrogen haben oder knapp 2 000 ist dennoch ein kleiner Unterschied. Oder: «faker» geht kaum mehr.

Die Zeitungsente wurde, nachdem sie in praktisch allen Medien der Welt verbreitet wurde, wiederum vom Urheber-Medium «Marca», der grössten Sportzeitung in Spanien, selber beschönigend relativiert und der Sachverhalt berichtigt. Seither weiss die Welt, was am Mexiko-Marathon 2023 wirklich geschah. Man darf sich nun mit Fug und Recht fragen, wie es sich eigentlich um den Formstand der Sport-Medien verhält. Ist der Sportteil in einer Zeitung noch ein Informationsgewinn oder kann getrost auf ihn verzichtet werden? Ja, der Sportteil in der Zeitung hat ausgedient, heisst es bei der «New York Times», welche soeben ihr Sportressort aufgelöst hat. Der Unmut der «Times»-Leserinnen und Leser soll sich deswegen in Grenzen halten. Die «Times» wurde natürlich auch nicht wegen des Sport-Teils gelesen. Blätter, die sich zufolge anderer Gewichtungen (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) verkaufen, haben es immer schwieriger mit Blick auf die Sport-Berichterstattung. Wie sagte es ein Urgestein der Sport-Berichterstattung bei der «Neuen Zürcher Zeitung» («NZZ»), Sportchef Felix Reidhaar (gest. 2008), einmal und bevor die digitale Welle die Welt so richtig erfasst hatte: «Der Sportteil der NZZ hat nur dann eine Chance, wenn er für die Leserschaft zwingend ist.». Es sei hier offen gelassen, ob das Blatt heute noch dieser Vorgabe gerecht wird.

Wie wäre es also, wenn die «NZZ» oder etwa auch die «FAZ» oder andere Medienerzeugnisse auf dieser Ebene auf die gedruckten Sport-Seiten verzichtet würden? Wahrscheinlich würde das die stets kleiner werdende Leserschaft dieser Blätter verschmerzen. So, wie die «New York Times» den Takt vorgibt. Was in den Sportteilen der Zeitungen veröffentlicht wird, gehört nach Meinung der New Yorker Verleger schlicht nicht mehr zur zwingenden Zeitungslektüre. Die Sportresultate und die Fakten zum Sport lassen sich online aktueller und schneller konsumieren; Analysen, Hintergrundreportagen, seichte Storys und Räubergeschichten zum Sport interessieren kaum mehr jemanden. Dieser Entwicklung folgend hat die «Times» die Sportberichterstattung an die Website «The Athletic» ausgelagert. So und ähnlich scheint die publizistische Zukunft zu sein, solange es überhaupt noch Print-Medien gibt.