Archiv für den Monat Juni 2015

Korruptionsstrafrecht: Gezielt wird auf Bestechung im Sport – getroffen werden aber (auch) andere

Im emotional und ethisch aufgeladenen Klima des sog. „FIFA-Skandals“, der in den letzten Wochen einen Höhepunkt erreicht haben dürfte, scheint auch den Schweizer Politikern jedes Mittel recht zu sein, um sich in Szene zu setzen. Soeben (3. Juni 2015) hat der Ständerat die von Parlamentariern geforderte Änderung des Korruptionsstrafrechts behandelt, welches u.a. vorsieht, dass Bestechung unter Privaten auch ausserhalb wirtschaftlichen Wettbewerbs strafbar sein soll (aktuell wird die Privatbestechung lediglich im UWG – Art. 4a – geregelt); die Vorlage geht nun an den Nationalrat. Das Gesetz richtet sich zwar klar gegen die in der Schweiz domizilierten Sportverbände und –organisationen – insbesondere gegen den Weltfussballverband FIFA (obwohl bestritten wird, dass es sich um eine „lex FIFA“ handle). Es bestehen in Anbetracht der aktuellen Stimmungslage gegen die FIFA und andere Sportverbände keine Zweifel, dass eine entsprechende Strafnorm ins Strafgesetzbuch eingefügt wird. Über deren konkrete Ausgestaltung gibt es aber divergierende Auffassungen. Umstritten ist etwa, ob die fragliche Korruptionsnorm als Antrags- oder als Offizialdelikt ausgestaltet werden soll. Der Ständerat hat sich für die Antragsvariante entschieden, der Nationalrat wird dem wohl eher nicht folgen.

Dass eine solche Gesetzesvorlage auch opportunistische Tendenzen aufweist, überrascht kaum. Wenn schon ein Korruptionsstrafrecht, dann fragt es sich etwa, weshalb die Bestechung durch ehrenamtlich tätige Personen erlaubt sein soll. – Mit der Korruptionsstrafnorm ist zwar der Sport gemeint, die Stossrichtung könnte sich aber auch als „Irrläufer“ erweisen, etwa für lobbyierende Politiker, die bekannterweise mit der Wirtschaft im Allgemeinen, mit Unternehmen, Verbänden, Organisationen verbandelt sind und hierfür nicht selten auch Geld beziehen. Was heute unter „Verfilzung“ verstanden wird („Fall Christa Markwalder“) könnte nach dem Inkrafttreten der Korruptionsstrafnorm bald zum Delikt werden. Eine Strafanzeige würde genügen, um bei derartigen Vorgängen Strafuntersuchungen auszulösen (obwohl die Immunität ein bezüglich Strafverfolgung schwer zu überwindendes Hindernis abgeben könnte). Im Privatbereich wird es auch künftig Bestechungsfälle geben; notorisch ist aber, dass sich Bestechungsvorgänge immer noch vor allem im Bereich der öffentlichen Hand, vor allem in der Verwaltung, ereignen (Bestechungsskandal bei der Stadtpolizei Zürich, Bestechung im Rahmen der Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich, Bestechungen bei Vergaben in der Bundesverwaltung usw.).

FIFA: Vereinsform im Fokus

Im Zusammenhang mit den Vorgängen um den Weltfussballverband FIFA ist ein Aspekt ins Zentrum des Interesses gerückt: Die Rechtsform des Vereins und deren Schwächen im Kontext der Nutzung durch einen internationalen Sportkonzern.

In der Tat weist die FIFA mit Sitz in der Schweiz die selbe Rechtsform auf wie ein Dorfturnverein oder der vielzitierte Kaninchenzüchterverein (Art. 60 ff. ZGB). Dies belegt einerseits die Elastizität der Vereinsform auch im Sport, eignet sich doch die Vereinsform sowohl für Kleinstzusammenschlüsse als auch für grosse Verbände, anderseits ist das Unbehagen der Vereinsform gegenüber im Zusammenhang mit der FIFA auch bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar. Aus typologischer Sicht darf die Vereinsform für Grossgebilde durchaus hinterfragt werden. Die FIFA wird nicht darum herumkommen, sich im Zuge eines Neustarts auch mit der organisatorischen Grundsatzfrage auseinander zu setzen, ob die Vereinsform den Bedürfnissen des Weltfussballverbandes noch gerecht wird. Dabei sind neben Schwarz- und Weisstönen durchaus auch Grautöne ins Auge zu fassen. So sind in vielen Ländern im professionellen Fussballsport insbesondere Modelle an der Tagesordnung, die eine Mischung von Verein und Kapitalgesellschaft vorsehen.

Abwegig ist allerdings die immer wieder gehörte Argumentation, die FIFA verhalte sich wie eine Aktiengesellschaft. Das Schweizerische Vereinsrecht lässt es zu, dass nicht-wirtschaftliche (ideelle) Zwecke mit wirtschaftlichen Mitteln verfolgt werden. Genau dies geschieht in der FIFA, wie es auch in Art. 2 der FIFA-Statuten festgeschrieben ist: Es wird mit wirtschaftlichen Mitteln eine ideale Zweckverfolgung angestrebt. Schlicht unwahr ist die immer wieder gehörte Behauptung, die FIFA würde keine Steuern bezahlen. Das dies nicht zutrifft, kann schon den Jahresberichten entnommen werden.

Noch abwegiger ist die Meinung, die Rechtsform eines Unternehmens sei adäquat kausal für korrektes Verhalten der natürlichen Personen, welche in diesem Unternehmen tätig sind. Oder anders gesagt: Eine Aktiengesellschaft im Sport macht noch keine ehrbaren Menschen…