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11 000 Marathon-Betrüger und noch mehr Zeitungsenten

causasportnews / Nr. 1063/09/2023, 25. September 2023

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(causasportnews / red. / 25. September 2023) Am 27. August wurde der diesjährige, legendäre Mexiko-Marathon ausgetragen. Rund 32 000 Läuferinnen und Läufer nahmen gemäss offiziellen oder offiziösen Angaben an diesem Lauf teil. Die traditionelle Veranstaltung hatte es besonders diesmal in sich: Der Laufwettbewerb sorgte nicht etwa wegen des Siegers für Schlagzeilen, sondern, weil mehr als ein Drittel der Teilnehmenden (11 000) betrogen haben soll. Da ein Marathon-Lauf von über 42 Kilometern nicht nichts ist, sollen 11 000 der 32 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer abgekürzt unterwegs gewesen sein. Die Folge sei die Disqualifikation von demnach mehr als einem Drittel des Startfeldes gewesen – so vermeldeten es die Medien rund um den Globus, nachdem die grösste spanische Sportzeitung «Marca» diesen «Primeur» (in der Mediensprache auch «Scoop», Exklusivmeldung, genannt; eine Veröffentlichung, die von einem Medium zuerst und erstmals aufgegriffen worden ist) vermeldet hatte. Die Marathon-Geschichte von Mexiko verursache auf der ganzen Welt Kopfschütteln, Konsternation und Ungläubigkeit. Seit Kurzem ist es allerdings klar: Die Geschichte aus Mexiko war nichts anderes als ein «Fake» (gemäss Donald Trump kultiviert). Der reale Sachverhalt wurde klar, nachdem sich die Organisatoren des Marathons nach der Veröffentlichung der originären Zeitungsente auf allen Kontinenten verpflichtet sahen, den wahren Sachverhalt abzuklären und entsprechend zu kommunizieren. Dieser ergab, dass es beim Lauf zwar Streckenbetrügereien gab, diese sich allerdings im Quantitativen im üblichen Rahmen bewegten (was dennoch erschreckend ist). Nach eingehenden Abklärungen wurde klar, dass der kursierende Zahlensalat rund um diese Sportveranstaltung nicht nur die vermeldete Betrügerquote betraf: So stimmte die anfangs verbreitete Meldung nicht, es hätten am Marathon 32 000 Läuferinnen und Läufer teilgenommen; angemeldet hatten sich exakt 28 410 Personen, und am Start fanden sich 25 517 Athletinnen und Athleten ein. Ins Ziel kamen 21 504 Läuferinnen und Läufer; 1807 Teilnehmende hatten geschummelt, also die Laufstrecke abgekürzt (Quelle u.a.: Sonntags-Zeitung Zürich vom 17. September 2023 – das Zahlenmaterial muss als ungesichert qualifiziert werden). Aber, ob 11 000 am Marathon betrogen haben oder knapp 2 000 ist dennoch ein kleiner Unterschied. Oder: «faker» geht kaum mehr.

Die Zeitungsente wurde, nachdem sie in praktisch allen Medien der Welt verbreitet wurde, wiederum vom Urheber-Medium «Marca», der grössten Sportzeitung in Spanien, selber beschönigend relativiert und der Sachverhalt berichtigt. Seither weiss die Welt, was am Mexiko-Marathon 2023 wirklich geschah. Man darf sich nun mit Fug und Recht fragen, wie es sich eigentlich um den Formstand der Sport-Medien verhält. Ist der Sportteil in einer Zeitung noch ein Informationsgewinn oder kann getrost auf ihn verzichtet werden? Ja, der Sportteil in der Zeitung hat ausgedient, heisst es bei der «New York Times», welche soeben ihr Sportressort aufgelöst hat. Der Unmut der «Times»-Leserinnen und Leser soll sich deswegen in Grenzen halten. Die «Times» wurde natürlich auch nicht wegen des Sport-Teils gelesen. Blätter, die sich zufolge anderer Gewichtungen (Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) verkaufen, haben es immer schwieriger mit Blick auf die Sport-Berichterstattung. Wie sagte es ein Urgestein der Sport-Berichterstattung bei der «Neuen Zürcher Zeitung» («NZZ»), Sportchef Felix Reidhaar (gest. 2008), einmal und bevor die digitale Welle die Welt so richtig erfasst hatte: «Der Sportteil der NZZ hat nur dann eine Chance, wenn er für die Leserschaft zwingend ist.». Es sei hier offen gelassen, ob das Blatt heute noch dieser Vorgabe gerecht wird.

Wie wäre es also, wenn die «NZZ» oder etwa auch die «FAZ» oder andere Medienerzeugnisse auf dieser Ebene auf die gedruckten Sport-Seiten verzichtet würden? Wahrscheinlich würde das die stets kleiner werdende Leserschaft dieser Blätter verschmerzen. So, wie die «New York Times» den Takt vorgibt. Was in den Sportteilen der Zeitungen veröffentlicht wird, gehört nach Meinung der New Yorker Verleger schlicht nicht mehr zur zwingenden Zeitungslektüre. Die Sportresultate und die Fakten zum Sport lassen sich online aktueller und schneller konsumieren; Analysen, Hintergrundreportagen, seichte Storys und Räubergeschichten zum Sport interessieren kaum mehr jemanden. Dieser Entwicklung folgend hat die «Times» die Sportberichterstattung an die Website «The Athletic» ausgelagert. So und ähnlich scheint die publizistische Zukunft zu sein, solange es überhaupt noch Print-Medien gibt.