causasportnews.com – 35/2025, 15. April 2025

(causasportnews/red./ 15. April 2025) Im Sport ist es manchmal etwa gleich wie in der Medien-Industrie: Nur wer nicht publiziert, wird nicht widerlegt. Oder sport-bezogen: Wer sich im Sport in Szene setzt, bewegt sich öffentlich und wird angreifbar. Der Sport bietet unter anderem durchwegs eine Plattform für Aktive und Funktionäre. Erstere sind die Protagonisten des Sportes; sie sind für den realen Sport zuständig, an dem sich die Sport-Öffentlichkeit labt. Die Funktionäre hingegen organisieren, verwalten und halten den Sport am Laufen; sie stellen die Rahmenbedingungen des Sportes sicher. Oft werden ehemalige Athleten Funktionäre. Teils werden sie aktiv verwendet, teils sind sie einfach da und bilden einen Teil des öffentlichen Lebens, wie z.B. Boris Becker.
Für Nicht-Sportler, Ex-Sportler und Sport-Funktionäre ist der Sport eine Plattform, die einen hohen Beachtungsgrad erfährt. Früher kursierte im Schweizer Spitzen-Fussball diese Fragestellung: Weshalb stammen die meisten Vereinspräsidenten aus der Baubranche? Eine einfach zu beantwortende Frage: Bauunternehmer sind begütert und können sich mit dem Amt eines Vereinspräsidenten permanente Präsenz in der medialen Öffentlichkeit verschaffen. Wer würde sich sonst für einen Bauunternehmer interessieren, wäre er nicht Vereinspräsident in einem sportlichen Segment? Ein solches Amt ist letztlich (auch) ein Amt für’s Ego, mit hohem Beachtungsgrad.
Es ist fast so, wie bei den Politikern, welche dank öffentlicher Ämter einen Beachtungsgrad erreichen, um nach Beendigung ihrer Polit-Karrieren wieder zu verglühen wie Sternschnuppen. Z.B. die ehemalige Schweizer Bundesrätin Ruth Metzler aus dem Mini-Kanton Appenzell Innerrhoden, die 1999 überraschend und im jungen Alter von 35 Jahren Bundesrätin und vier Jahre später nicht wieder gewählt wurde. Sie entstammte der «CVP», die stets für Personal-Filz und vor allem wirtschaftliche Verflechtungen stand, was heute für die Nachfolge-Partei «Die Mitte» immer noch gilt. Nachdem Ruth Metzler ihren Magistraten-Posten 2003 auf Bundesebene unglücklich verloren hatte, galt es, sie wenigstens mit Ämtchen und Pfründen schadlos zu halten. Ihre Partei machte es möglich. Sie zog in zahlreiche Verwaltungsräte ein und war in verschiedensten Funktionen tätig. Dank des «CVP»/»Mitte»-Filzes präsidierte sie die Stiftung der Päpstlichen Schweizergarde im Vatikan. Mit einer gewaltigen Ämter- und Funktionskumulation baute sich die nicht mehr als Bundesrätin aktive Ruth Metzler eine Karriere nach dem Bundesrats-Amt auf. Im letzten November erfolgte dann im Leben der 2024 60 Jahre alt gewordenen Luzernerin eine fast wundersame Wendung: Sie wurde zur höchsten Sport-Funktionärin gewählt, zur Präsidentin des Dachverbandes «Swiss Olympic» (SO). Ruth Metzler war nach dem Polit-Aus und einer Durststrecke ohne öffentliche Bedeutung wieder da! Vor ein paar Tagen breitete sie vor den Medien ihre Bilanz der ersten 100 Tage im SO-Amt aus. Nichts Konkretes war zu vernehmen, aber man soll ja stets die Zukunft im Auge behalten. Ruth Metzler will 2038 die Olympischen Winterspiele in die Schweiz holen! Applaus, aber auch Stirnerunzeln waren ihr nach diesem Ankündigungs-Coup sicher. Kaum waren die Schallmeienklänge in Richtung der SO-Präsidentin verstummt, wurde Ruth Metzler von ihrer Vergangenheit als junge Ex-Bundesrätin eingeholt. Die Ämter- und Funktionskumulation in der Nach-Bundesrats-Zeit förderten auch ein wirtschaftliches Kuckucksei zu Tage. Bis kurz vor ihrer Wahl gehörte die nun höchste Sportfunktionärin der Schweiz während acht Jahren dem Verwaltungsrat der schillernden Bank «Reyl» an. Ab 2021 verantwortete Ruth Metzler insbesondere die Bereiche «Good Governace» und «Compliance». Zufälligerweise nach ihrer 100-Tage-Bilanz als SO-Präsidentin kam bezüglich dieser Bank Unappetitliches ans Tageslicht. Die Ex-Bundesrätin war in dieser Bank also gerade für dieses (auch) brisante (Ethik-)Thema zuständig; im Dachverband des Schweizer Sportes schwingt sie seit Beginn ihrer Funktionärs-Tätigkeit im November 2024 gerne die Moralkeule. Gemeldet werden kann der Stiftung «Swiss Sport Integrity» von SO alles, was moralisch anrüchig ist. «Moral über alles», so lautet das Schlagwort nun auch bei der Inhaberin des obersten Sport-Funktionärsamtes.
Manchmal stehen Lebensweisheiten im Zentrum solcher Konstellationen. Wie steht es denn mit «Geld und Geist» (nicht nur nach Jeremias Gotthelf)? Oder wie verhält es sich damit (wohl im Sinne von Bertold Brecht): «Erst kommt das Fressen, dann die Moral»?
Das bekannt gewordene Desaster als (mit-)verantwortliche Verwaltungsrätin der kaum durchsichtigen Bank «Reyl» hat nun die Diskussion in der Öffentlichkeit befeuert, ob Ruth Metzler aufgrund dieses Verwaltungsrats-Mandats, mit dem sie sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben soll («Geld»), für das hehre, höchste Sport-Funktionärsamt im Schweizer Sport noch tragbar ist («Geist»). Was bei der Bank «Reyl» geschah, fasst die als umsichtig geltende Compliance-Spezialistin und Jura-Professorin Monika Roth wie folgt zusammen: «Ruth Metzler als Ex-Bundesrätin, Wirtschaftsprüferin und Juristin trägt in diesem Fall einen Teil der Verantwortung massgeblich mit.». Will heissen: Es könnten nun zivil- und/oder strafrechtliches Ungemach in dieser Banken-Causa auf die 61ährige Präsidentin von SO zukommen. Mit diesem Damoklesschwert lässt es sich jedenfalls nicht gerade bequem auf dem Präsidenten-Stuhl von «Swiss Olympic» sitzen.
